Ein Jahr Antarktis: Wolkenforschung an der Neumayer-Station III

Ein Jahr lang untersuchte das Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung an der Forschungsstation des AWI die Zusammenhänge von Aerosolen und Wolken
[14. März 2024] 

Extrem saubere Luft am Boden, Warmlufteinbrüche und Sulfataerosol in großer Höhe - ein Forschungsprojekt des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS), hat neue Erkenntnisse über die Wolken in der Antarktis gewonnen. Von Januar bis Dezember 2023 hat das Leipziger Institut die vertikale Verteilung von Aerosolpartikeln und Wolken in der Atmosphäre über der Neumayer-Station III des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) vom Boden aus untersucht. Es sind die ersten Langzeitmessungen, die diesen Zusammenhang genauer in den Blick nehmen. Nun sind die Geräte aus der Antarktis wieder in Leipzig angekommen.

Der antarktische Kontinent und der Südliche Ozean sind wichtige Bestandteile des globalen Klimasystems. Nachdem das Klima der Antarktis im letzten Jahrhundert als relativ stabil galt, werden inzwischen auch hier deutliche Veränderungen beobachtet. Klimaprojektionen deuten darauf hin, dass sich das Innere der Antarktis erwärmt, die Meereisausdehnung abnimmt und Niederschläge zunehmen. Allerdings sind solche Projektionen mit großen Unsicherheiten behaftet, denn es gelingt ihnen noch nicht, die Wolkenbedeckung über dem Südlichen Ozean korrekt wiederzugeben. Um mehr über die Wolken in der Antarktis zu erfahren, hat das TROPOS rund ein Jahr lang mit der Messplattform OCEANET die Atmosphäre über der Neumayer-Station III des AWI genauer untersucht. TROPOS-Mitarbeiter Martin Radenz hat die Fernerkundung mit Lidar und Radar betreut.

Anfang 2023 wurde OCEANET-Atmosphere 300 Meter südlich der Neumayer III installiert. Die Messplattform besteht aus einem autonomen 20-Fuß-Messcontainer, vollgepackt mit modernstem Equipment zur Atmosphärenbeobachtung. Aktuell ist es die einzige polar-taugliche Einzelcontainer-Plattform, die turbulente Luftbewegungen in Wolken mit Mehrwellen-Lidar, Radar und Mikrowellenradiometer sowie mit Doppler-Lidar und -Radar beobachten kann. Die Messungen gaben erstmals einen Einblick, wie viele Partikel in welchen Höhen über diesem Teil der Antarktis schweben. Der untere Bereich der Atmosphäre (Troposphäre) mit unberührten Bedingungen war meist vergleichsweise sauber. Dagegen beobachtete das Team zwischen rund 9 km und 17 km Höhe (Stratosphäre) unerwartet viele Partikel, die hauptsächlich durch Vulkanausbrüche verursacht werden. Aerosol in der Stratosphäre hat Einfluss auf das Auftreten von polaren Wolken, an denen komplexe chemische Prozesse ablaufen und die im Verdacht stehen, über den Polargebieten zum Ozonloch beizutragen.

Die kontinuierlichen Messungen ermöglichten es dem Team, den Wolken quasi beim Wachsen „zuzusehen“, denn praktisch alle Partikel dienen als Wolkenkeime. Das bedeutet, dass das Wolkenwachstum durch die Menge an Partikeln in der Atmosphäre begrenzt ist. Würde es mehr Partikel geben, zum Beispiel durch mehr verschmutzte Luft, gäbe es auch mehr Tropfen und Eiskristalle in den Wolken, was deren Lebensdauer und Wirkung auf Wetter und Klima verändert. Die OCEANET-Messplattform konnte auch zwei extreme Warmlufteinbrüche detailliert untersuchen: Einer mit intensivem Schneefall im April, der 10 Prozent der Schneemenge eines ganzen Jahres brachte. Der zweite Warmlufteinbruch brachte rekordverdächtige Höchsttemperaturen: Am 6. Juli 2023 stieg das Thermometer bis auf -2,3 Grad Celsius. „Das ist die höchste Temperatur, die im Juli an der Neumayer-Station III seit Beginn der kontinuierlichen Beobachtungen im Jahr 1982 registriert wurde. Noch nie war es mitten in der Polarnacht, dem Höhepunkt des antarktischen Winters, dort so warm“, erklärt Martin Radenz. „Normalerweise liegen die Temperaturen zu diesem Zeitpunkt unter -30 Grad Celsius.“

Im Januar wurde der OCEANET-Container abgebaut, an die Schelfeiskante transportiert und auf ein Schiff verladen. Das AWI wird den einmaligen OCEANET-Datensatz mit neu installierten Lidar- und Radargeräten an der Neumayer-Station III weiter fortsetzen. Das TROPOS wird die gewonnenen Daten aus der Antarktis in den nächsten Monaten weiter auswerten und mit bereits vorhandenen Datensätzen aus Südchile, Zypern, Deutschland und der Arktis verglichen. Die Forschenden hoffen dadurch auf neue Erkenntnisse, warum sich die Wolken im äußersten Süden so stark von denen auf der Nordhemisphäre unterscheiden.

Die Rückkehr der Geräte nach Leipzig markiert den erfolgreichen Abschluss des Projekts COALA (Kontinuierliche Beobachtungen von Aerosol-Wolken-Interaktionen in der Antarktis). Die Messungen wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Detaillierte Informationen zur Messplattform OCEANET und den Ergebnissen in der Pressemeldung des TROPOS.

Kontakt

Pressestelle

Sarah Werner
+49 471 4831 2008
sarah.werner@awi.de

Ansprechpartner TROPOS
Tilo Arnhold, Öffentlichkeitsarbeit
Tel. +49 341 2717-7189
tilo.arnhold@tropos.de 

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