Der El'gygytgyn-See liegt in der Region Tschukotka im nordöstlichsten Sibirien. Er wurde vor 3,6 Millionen Jahre durch einen Meteoriteneinschlag gebildet. Der Einschlagskrater hat einen Durchmesser von 18 km, der See selbst ist 12 km groß und 170 m tief. Der See ist heutzutage nur während der 3 Sommermonate offen, die restlichen 9 Monate ist er von einer bis zu anderthalb Meter dicken Eisschicht bedeckt. Der See liegt heute in der Tundra, die Baumgrenze befindet sich fast 100 km weiter südlich.

In den Jahren 2000 und 2003 haben wir im El'gygytgyn-See während zweier großer Landexpeditionen Reflexionsseismik gemacht und dabei festgestellt, dass der See ein bis zu 320 m dickes Sedimentpaket birgt. Unsere Kollegen von der Uni Köln und der UMass, Amherst (USA) haben während beider Expeditionen und auch bereits während einer kurzen Kampagne 1998 etliche Sedimentkerne gezogen und dabei festgestellt, dass die obersten 16 m des Sedimentes 300'000 Jahre Klimageschichte in bisher aus der Arktis unbekannt hoher Auflösung enthalten. Da der Krater, in dem der See entstanden ist, ganze 3,6 Millionen alt ist, vermuteten wir, dass die Seesedimente entsprechend die Klimageschichte der letzten 3,6 Millionen Jahre aufgezeichnet haben. Das wäre 1 Million Jahre weiter zurück als bis zum Beginn der Nordhemisphären-Vereisung. Anhand der Seismik-Daten konnten wir aufzeigen, dass das Klimaarchiv vollständig sein müsste, d.h. der See war in der ganzen Zeit nie von dickem Inlandeis überfahren und erodiert worden.

Nach 10 Jahren intensiver Vorstudien am El'gygytgyn-See konnten wir im Rahmen des Internationalen Tiefbohrprogrammes (ICDP)  im Herbst 2008 neben dem See in den Permafrost bohren, und im Winter/Frühjahr 2009 eine Tiefbohrung durch die komplette Sediment-Sequenz bis in den Untergrund hinein abteufen (siehe Artikel). Dafür wurde anhand der Seismik eine möglichst günstig gelegene Bohrstelle im See ausgewählt. Die Bohrung wurde absichtlich im Winter/Frühjahr abgeteuft, um vom See-Eis aus bohren zu können. Dafür nahmen wir auch einige Tage kompletter Dunkelheit (Polarnacht) und Temperaturen von bis zu -45°C in Kauf.

Die Sedimentkerne aus der Tiefbohrung zeigten, dass im El'gygytgyn-See tatsächlich kontinuierlich die Klimaentwicklung der letzten 3,6 Millionen Jahre archiviert sind. Wir konnten zeigen, dass die Vereisung der Nordhemisphäre in diesem Teil der Arktis vor ungefähr 2,7 Millionen begann und nicht kontinuierlich, sondern in Stufen verlief (siehe Artikel). Die Sedimente zeigten auch, dass es in der Arktis besonders warme, sogenannte "Super-Glaziale" gab, die ungefähr 4-5°C wärmer waren als heute (siehe Artikel).