Pressemitteilung

Rekordkälte in der arktischen Stratosphäre – Erste Hinweise auf beginnende Ozonzerstörung

[28. Januar 2005] 

Wissenschaftler aus ganz Europa weisen heute in einer gemeinsamen Erklärung auf außerordentlich tiefe Temperaturen in der Stratosphäre in etwa zwanzig Kilometern Höhe über der Arktis hin. Die ungewöhnlichen Bedingungen dieses Winters könnten den Abbau der arktischen Ozonschicht verstärken. Erste Anzeichen für eine beginnende Ozonzerstörung haben die Wissenschaftler bereits nachgewiesen. Wenn es nicht in den nächsten Wochen zu einer kräftigen Erwärmung der Stratosphäre kommt, wären außergewöhnlich schwere Ozonverluste möglich. Ozonabbau führt zu einer Zunahme schädlicher UV-B Strahlung am Erdboden. Von einem Ozonabbau in der Arktis wäre auch Mitteleuropa betroffen, da in der Stratosphäre arktische Luftmassen regelmäßig auch über südlichere Breiten driften.

In diesem Winter hat in der Arktis die Bildung so genannter Polarer Stratosphärischer Wolken (polar stratospheric clouds – PSCs) eine Ausdehnung erreicht, wie sie zuvor noch nie beobachtet worden ist. Diese Wolken aus Salpetersäure und Wasser können sich in etwa zwanzig Kilometern Höhe in der Ozonschicht bilden, wenn die Temperaturen dort unter –78 Grad Celsius fallen. Bei unter –85 Grad Celsius ist in der extrem trockenen Stratosphäre sogar die Existenz reiner Wassereiswolken möglich. Unter Einwirkung dieser Wolken werden die normalerweise harmlosen Abbauprodukte der vom Menschen freigesetzten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) und Halone in ein gefährliches Gemisch aus Radikalen verwandelt, welches Ozon zerstört, sobald nach der Polarnacht die Sonne wieder in die Arktis zurückkehrt.

Außerdem verstärken Wassereiswolken den Ozonabbau nach derzeitigem Verständnis, da diese Wolken die Gegenspieler der ozonabbauenden Radikale aus der Stratosphäre effektiv entfernen können. Gemessen an vertikaler und horizontaler Ausdehnung sowie zeitlicher Dauer der ungewöhnlichen Kälte sind in diesem Winter bereits jetzt mehr PSCs aufgetreten als jemals zuvor in der Arktis. „Insbesondere die ungewöhnliche Größe der Gebiete, in denen sich Eiswolken bilden können, ist besorgniserregend. Vergleichbare Größen gab es seit Beginn der Messungen vor vierzig Jahren nur im Winter 1983/1984, aber damals gab es diese Bedingungen nur für wenige Tage. In diesem Winter messen wir nun schon seit mehreren Wochen immer wieder Temperaturen unter -85 Grad Celsius“, sagt Dr. Markus Rex von der Forschungsstelle Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, der die Arbeiten zum arktischen Ozonverlust im Europäischen Projekt SCOUT-O3 koordiniert. „Erste Auswertungen der Messungen unseres internationalen Netzwerks zeigen bereits Hinweise auf Ozonverlust. Das war gegen Ende eines so kalten Januars auch zu erwarten. Ob es durch die ungewöhnlichen Bedingungen dieses Winters zu einem extremen Ozonverlust in der Arktis kommt, wird sich durch die Entwicklung der nächsten Wochen entscheiden“, erklärt Rex. Im bisherigen arktischen Rekordwinter 1999/2000 sind lokal bis zu siebzig Prozent Ozon zerstört worden, was die Dicke der Ozonschicht insgesamt um bis zu dreißig Prozent reduziert hatte. In warmen arktischen Wintern gab es keinen nachweisbaren Ozonverlust. Bleibt es dieses Jahr im Februar und März kalt, könnte der Abbau aus 1999/2000 noch deutlich übertroffen werden. In der Antarktis wird aufgrund der dort erheblich tieferen Temperaturen in jedem Winter in einem breiten Höhenbereich das gesamte Ozon zerstört und es bildet sich dort regelmäßig das bekannte Ozonloch.

Heute ist die Produktion der wichtigsten ozonzerstörenden Gase weltweit verboten. Es wird jedoch noch etwa ein halbes Jahrhundert dauern, bis die bereits von der Menschheit freigesetzten Substanzen wieder so weit aus der Atmosphäre verschwunden sind, dass keine Gefahr mehr von ihnen ausgeht. Während dieser Zeit wird das Schicksal der arktischen Ozonschicht im wesentlichen durch die Entwicklung der Temperatur in der Stratosphäre bestimmt.

Bremerhaven, den 28. Januar 2005

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Das Alfred-Wegener-Institut forscht in den Polarregionen und Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Als eines von 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft koordiniert es Deutschlands Polarforschung und stellt Schiffe wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen für die internationale Wissenschaft zur Verfügung.