Pressemitteilung

Forschungsschiff Polarstern am Nordpol

[22. August 2011] 

Bremerhaven/Nordpol, den 22. August 2011. „Höher“ geht es nicht: Am 22. August 2011 um genau 9:42 Uhr erreicht der Forschungseisbrecher Polarstern des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft den Nordpol. Veränderungen im Hohen Norden zu dokumentieren, ist das Ziel der aktuellen Expedition. Und so führen die Forscher an Bord auch am nördlichsten Punkt der Erde ein ausgiebiges Untersuchungsprogramm in Wasser, Eis und Luft durch. Die geringe Meereisbedeckung erlaubt die Route über den Pol ins Untersuchungsgebiet Kanadische Arktis.

Das Meereis spielt nicht nur eine Rolle bei der Routenwahl sondern ist vor allem ein wichtiger Forschungsschwerpunkt: Wie dick ist das Eis und wie alt? Wie stark ist es durch Pressungen deformiert – finden sich darauf Schnee oder Schmelztümpel? Auch Satellitenmessungen liefern Eisinformationen, aber Messungen sind vor Ort nötig, um diese richtig interpretieren zu können. Die Lichtenergie lässt das Eis schmelzen und erwärmt das Wasser in den Sommermonaten. Die Erwärmung der Arktis und die damit verbundenen Veränderungen im Wärme- und Gasaustausch zwischen Ozean, Meereis und Atmosphäre sind das übergeordnete Thema der Untersuchungen. Auch die Meeresströmungen, die Wassermassen mit dem Atlantik und dem Pazifik austauschen, sind im Wandel begriffen. Umverteilungen des Süßwassereintrags aus den Flüssen in den Arktischen Ozean ist einer der Faktoren, die diese Meeresströmungen beeinflussen.

Licht ist die Energiequelle für Kleinstalgen, die im und unter dem Eis leben und die Basis des Nahrungsnetzes im Nordpolarmeer sind. Biologen bestimmen Arten und Anzahl von Algen und den kleinen und größeren Tieren, die diese fressen. Die Forscher verfolgen den Weg der Organismen von der Wasseroberfläche bis zum Meeresgrund, wo die Überreste in mehreren tausend Metern Tiefe als organische Substanz nach dem Absterben schließlich landen.

Aus diesen Ablagerungen am Meeresgrund lassen sich Rückschlüsse ziehen, wie die Lebensbedingungen in der Erdgeschichte waren. Denn die Sedimente und die darin befindlichen Tier- und Pflanzenreste sind bis zu mehrere Millionen Jahre alt. Im Anschluss an die Expedition werden Sedimentkerne in den Heimatlaboren analysiert. Um die Modelle der Klimageschichte der Erde zu verbessern, untersuchen zusätzlich Chemiker, Physiker und Ozeanographen die Umweltbedingungen des heutigen Ozeans. Sie ziehen Rückschlüsse, wie schnell organische Substanz umgewandelt und durch veränderte Strömungsbedingungen verlagert wird.

Alle 55 Wissenschaftler und Techniker aus sechs Ländern an Bord Polarstern haben ein gemeinsames Ziel: Die Veränderungen in der Arktis zu untersuchen. Dies spiegelt sich auch im Namen der Expedition „TransArc - Trans-Arctic survey of the Arctic Ocean in Transition" (Transarktische Studie des Arktischen Ozeans im Wandel) wider. Seit die Polarstern am 5. August den Hafen von Tromsø (Norwegen) verlassen hat, gehen die Forscher ihren Fragen gemeinsam mit der 43-köpfigen Besatzung nach. Die ersten Eisschollen tauchten am 8. August auf. Seit 9. August fährt Polarstern auf der Route entlang 60 °Ost bei Temperaturen um 0 °C durch dichtes Packeis. Es handelte sich zunächst überwiegend um erstjähriges Meereis, jetzt treten auch ältere und somit dickere Eisschollen auf.

„Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Nordpol nicht interessanter als andere Orte der Arktis“, berichtet Prof. Dr. Ursula Schauer von Bord Polarstern. Die Ozeanographin am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft ist die wissenschaftliche Leiterin der Expedition. „Die zu erwartenden Änderungen sind hier eher gering. Allerdings gehört der Norden des kanadischen Sektors der Arktis aufgrund des dichten Packeises nach wie vor zu den am wenigsten erforschten Regionen der Erde.“ Schauer war das letzte Mal 2007 in der Zentralarktis und erlebt heute eine ähnlich geringe Eisbedeckung wie in dem Jahr das als das der geringsten Meereisausdehnung seit Beginn der Satellitenmessungen 1979 in die Geschichte einging. Erste Messungen der Eisdicke bestätigen dies: sowohl 2011 als auch 2007 war die häufigste auftretende Eisdicke 0,9 Meter. Zum Vergleich: Der Vergleichswert aus dem Jahr 2001 lag bei 2 Metern häufigste Eisdicke, in dem Jahr entsprach die Eisausdehnung zum Ende der Schmelzperiode ungefähr dem langjährigen Mittel.

Polarstern ist zum dritten Mal in der Geschichte am Nordpol: Am 7. September 1991 gelangte sie gemeinsam mit dem schwedischen Forschungseisbrecher Oden als eines der ersten beiden konventionell angetriebenen Schiffe dorthin. Fast exakt zehn Jahre später, am 6. September 2001 führte eine gemeinsame Expedition mit dem amerikanischem Forschungseisbrecher Healy an den Nordpol.

Nach den Untersuchungen am Nordpol und anschließend im Kanadischen Becken nimmt das Schiff Kurs Richtung Sibirische See. So wollen die Forscher die Ozeanzirkulation von der Tiefsee bis in die flachen Schelfmeere und Lebensräume vom Eisrand in den eisfreien Ozean hinein untersuchen. Polarstern wird am 7. Oktober in ihrem Heimathafen Bremerhaven zurückerwartet. Wer die Ereignisse an Bord bis dahin verfolgen möchte: Im Blog der Zeitschrift GEO berichten die Expeditionsteilnehmer regelmäßig auf www.geo.de/blog/geo/polarstern-blog

 

Hinweise für Redaktionen:

Ihre Ansprechpartnerin in der Abteilung Kommunikation und Medien des Alfred-Wegener-Instituts ist Folke Mehrtens (Tel.: 0471 4831-2007; E-Mail: Folke.Mehrtens@awi.de).

 

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 17 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

 

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Das Alfred-Wegener-Institut forscht in den Polarregionen und Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Als eines von 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft koordiniert es Deutschlands Polarforschung und stellt Schiffe wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen für die internationale Wissenschaft zur Verfügung.