PS115/2 - Wochenbericht Nr. 6 | 08. - 14.10.2018

Abbauen, Packen, Aufräumen, Schreiben – und ein Dankeschön zum Schluss

[15. Oktober 2018] 

Das eigentliche Forschungsprogramm haben wir ja bereits letzte Woche am Donnerstag 10:00 beendet und mit unserer Rückreise begonnen. In dieser letzten Polarstern-Woche bestimmen jetzt – wie am Ende einer jeden Expedition – andere Aktivitäten unseren Tagesablauf. Es geht in erster Linie um Abbauen, Einpacken und Aufräumen! Geräte müssen abgebaut werden, Kisten gepackt werden, Labors gereinigt und aufgeräumt werden.

Dazu kommt das Schreiben. Schreiben von Listen - Packlisten, Frachtlisten, Gefahrgutlisten, Gefriergutlisten. Schreiben von Berichten – Kapitel für den Fahrtbericht, Abschlussprotokoll, Expeditionskurzbericht, der letzte Wochenbericht, Tagebücher, Gästebuch etc. Neben diesen nicht immer beliebten, aber natürlich (bis zum gewissen Maße) notwendigen Aufgaben bleibt nur wenig Zeit, noch letzte Messungen und Beprobungen an den Sedimentkernen in den Geo-Labors zu machen. Bei diesen Arbeiten ist Eile geboten, da auch die Sedimentkerne – hunderte von Kilos! – noch sicher in Kisten verstaut und die Labors anschließend ja auch noch gereinigt werden müssen. Hier ist eine straffe Durchorganisation des Tagesgeschehens gefordert – dies hat aber Micha Schreck als Oberhaupt der Geo-Gruppe in seiner freundlichen aber bestimmten Art bestens im Griff. Auf ein paar Details und Besonderheiten der letzten Tage soll hier aber noch einmal im Folgenden chronologisch eingegangen werden.

Montag (08.10.18) und Dienstag (09.10.18) sind noch einmal „Großkampftage“ im Geo-Nasslabor. Die letzten Schwerelotkerne, die als „Schlüsselkern“ (von den „FL-Schlüsselkernen“ kann der/die eine oder andere am AWI ein Lied singen) noch geöffnet und beprobt werden müssen, stehen auf dem Programm. Für ein paar Stunden verirrt sich ein ungewöhnlicher Gast ins Nasslabor und verfolgt die Arbeiten aufmerksam aus der Höhe: ein kleiner Vogel hat auf der Polarstern einen Zwischenstopp eingelegt und sich das Nasslabor für die Rastpause ausgesucht. Was mit ihm dann weiter passiert ist, wohin seine Reise geht – wer weiß …. Die morgentlichen Meetings sind jetzt auf den Nachmittag verschoben worden und werden durch Berichte über die Ergebnisse der einzelnen Forschungsgruppen bereichert. Heute (Dienstag) erfahren wir so z.B. von Dirk Olonscheck, was für tolle Sachen aus seinen insgesamt 90 (!) Radiosondenaufstiegen herauszulesen sind. Ein kleines Highlight, das weit mehr Beachtung bei den meisten geweckt hat als der kleine Piepmaz und das zu einem Auflauf auf dem Peildeck am Dienstagabend geführt hat, sind die Nordlichter. Aurora borealis – endlich einmal in seiner ganzen Schönheit zu erblicken (Abb. 1).

Mittwoch (10.10.18) – ein sicherlich ungewöhnlicher Tag mit einem unerwarteten Ereignis – zumindest für alle, die nicht an Bord sind und damit die Vorgeschichte nicht kennen. Wir machen heute einen kurzen zweistündigen Zwischenstopp in Tromsö. Diese zeitig eingeplante Kursänderung ist erforderlich gewesen, da für die in Bremerhaven anstehenden umfangreichen Werftarbeiten – Polarstern bekommt neue Rettungsboote - bereits mit vorbereitenden Maßnahmen während der letzten Tage unserer Expedition begonnen werden muss. Es sollen so neun Ingenieure und Techniker in Tromsö einsteigen, um diese Arbeiten durchzuführen. Im „Austausch“ gehen unsere HeliService-Leute sowie je eine Person aus  Besatzung und Wissenschaft von Bord.

Wir sind auf Kurs Tromsö, bewölkt, leichter Nieselregen. Pünktlich um 08:30 kommt der Lotse an Bord, gegen 11:30 das Festmachen an der Grøtsund-Pier – ungewohnt für die „alten“ Polarstern-Fahrer, denn „normalerweise“ geht doch die Polarstern immer an die Breivika-Pier im Zentrum von Tromsö. Dieser Platz ist jetzt weit nördlich von Tromsö, ein etwas trostloser Ort („am Ende der Welt“?), ein eingezäunter Sicherheitstrakt. Positiv ist allerdings dafür davon zu berichten, dass mit dem Anlegen – wie bestellt (ob der Kapitän das wieder gemacht hat?) -  die Sonne hervorschaut, eigentlich herrliches Wetter für einen Landgang. Unsere sechs Aussteiger machen sich so auch auf den Weg, und die Neuen kommen an Bord. Zusätzlich machen sich unsere Geophysikerin Estella und ELO Winnie auf den Weg nach Tromsö (die Glücklichen), um eine notwendige Gravimeter-Kalibrierung in der City durchzuführen. Dann aber noch ein weiteres „Bonbon“ vom Kapitän (er weiß, wie er die „Truppe“ bei Laune hält), es erschallt die Durchsage „Landgang für alle“. Eine Durchsage, die allerdings auch nicht überwertet werden sollte. Landgang heißt in diesem Falle nicht „kurzer Besuch in Tromsö“ sondern schlicht und einfach „Beine vertreten an Land auf der Pier direkt im Umfeld von Polarstern. Trotzdem wird dies von vielen (inklusive Kapitän und Fahrtleiter) genutzt, um kurzfristig einfach wieder mal festen Boden unter den Füßen zu haben. Die ganz Eifrigen tragen dabei einen 100m-Sprintwettbewerb und auch ein kurzes Fußballspiel aus. Polarstern von draußen und auch noch in der Sonne, ein ungewohntes Fotoobjekt nach den meist sonnelosen Wochen auf See. Der Kurzaufenthalt an Land wird auch eindrucksvoll in den „lebenden Polarstern-Schriftzeichen“ auf der Pier vor dem Schiff festgehalten (Abb. 2). Um 14:00 heißt es dann „alle Mann an Deck“ (Estella und Winnie sind mittlerweile auch wieder zurück), und wir legen ab, dampfen langsam durch die Fjordlandschaft zurück Richtung Nordatlantik – und das bei Sonne, Nieselregen und Regenbogen (wieder eine gelungene Inszenierung – wer da wohl wieder hinter steckt?).

Donnerstag (11.10.18). Für die meisten geht die Packerei und Schreiberei weiter. Im Geo-Nasslabor steht allerdings ein „Highlight“ (?) auf dem Programm. Nachdem alle Tische und Regale abgebaut, alle von uns während der Kernschlachtungen, Schlammschlachten und Beprobungsaktionen etc. benutzten Utensilien weggeräumt worden sind, wird das Nasslabor unter Wasser gesetzt. Es wird geschrubbt, gewischt, geputzt – „Wasser- statt Schlammschlacht“. Danach ist das Sediment- und Nasslabor nicht wieder zu kennen - unser IWO Uwe Grundmann wird sich freuen! (Mir hat das Labor, so muss ich zugeben, vor einer Woche mit dem schönen Kastenlot besser gefallen – aber über Geschmack soll man ja nicht streiten). Am Abend gibt es dann noch einen „Social Event“ im Zillertal – Heike Zimmermann und Lutz Peine feiern zusammen ihren 99. Geburtstag (wer von den beiden wie viel zu den 99 beigetragen hat, wird an dieser Stelle allerdings nicht verraten).

Freitag (12.10.18). Auf dem 08:15-Meeting kündigt uns der Wetter-Max für die kommende Nacht bis in den Samstag hinein einen Sturm an (Abb. 3) - Windstärke 8-9 Bft, in Böen 10 Bft - das Schiff wird ordentlich schauckeln! Es folgen Durchsagen an alle, dass entsprechend dieser Erwartung Vorbereitungen auf dem Schiff getroffen werden, damit alles dort bleibt, wo es hingehört und nichts durch die Gegend fliegt oder beschädigt wird. Die für Samstag geplante Abgabe der Kleidersäcke wird auf heute 13:00 vorgezogen. Das Oberdeck ist für alle ab 20:00 gesperrt. Wir sind also vorbereitet! Um 15:00 erfolgt die Abnahme des Geo-Nasslabors durch unseren IWO Uwe – keine Beanstandungen! Um 16:30 und um 19:30 finden dann noch Science Meetings statt, auf denen erste Ergebnisse der Geologie bzw. der Geophysik vorgestellt werden.

Samstag (13.10.18), kurz nach Mitternacht. Es geht tatsächlich los, Max hat Recht gehabt. Von Stunde zu Stunde nimmt der Sturm zu, der Dampfer schauckelt mehr und mehr. Einige freuen sich, andere sicherlich nicht, viele bekommen vielleicht das Ganze auch gar nicht so voll mit, da sie diese Änderung z.T. verschlafen? Der Sturm schwächt dann tagsüber etwas ab, und wir dampfen mit normaler Kraft weiter Richtung Heimat. Um 16:00 finden weitere Vorträge statt, heute haben die ArcTrain-Studenten das Wort und teilen uns Ergebnisse und Eindrücke ihrer Arbeiten und Experimente während der Ausfahrt mit – erquickend und spannend! Weniger spannend und erquickend dann der heutige Fußballabend – zumindest aus deutscher Sicht. Deutschland verliert gegen die Niederlande in Amsterdam mit 0:3!! Es ist hier übrigens nicht übersehen worden, dass Anouk und Jolien da laut gejubelt haben – aber es sei ihnen als Niederländerinnen gegönnt! Es bleibt allerdings die Frage offen, warum Camille aus Montreal auch gejubelt hat?…..

Sonntag (14.07.18), der letzte Sonntag an Bord! Für 16:00 Bordzeit haben Kapitän und Fahrtleiter zu einem offiziellen Empfang in den Blauen Salon eingeladen (Abb. 4). Dabei geht es uns in erster Linie noch einmal allen Beteiligten Dankeschön zu sagen. Unsere Expedition zeichnet sich durch die exzellente Kooperation zwischen Besatzung, HeliService und Wissenschaft aus, was entscheidend zum Erfolg dieser Expedition mit beigetragen hat. Ich denke, wir können festhalten, dass fast alle das oder mehr bekommen haben, was sie sich erhofft haben. Auf jeden Fall haben Kapitän und Fahrtleiter alles getan, um von der Schiffs- und Programmseite her die bestmöglichen Voraussetzungen für die erfolgreiche Durchführung der einzelnen Forschungsprogramme zu schaffen. Wenn das eine oder andere Mal die äußeren Umstände wie Eis- und Wetterbedingungen nicht mitspielen, ist das höhere Gewalt und muss – wenn es manchmal auch schwerfällt – akzeptiert werden. Wir haben alle einen langen und erfolgreichen Weg hinter uns (Abb. 5) und freuen uns jetzt auf daheim. Vorher möchten wir von der Wissenschaft uns aber an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei Kapitän Wunderlich und seiner gesamten Besatzung für die große Unterstützung und Hilfsbereitschaft in allen Situationen bedanken.

Dies ist nun der letzte Wochenbericht, in dem ausnahmsweise mehr die Nichtwissenschaft im Vordergrund steht. Das sei uns aber nach dem so erfolgreichen Abschluss unseres Forschungsprogramms vor ein paar Tagen gegönnt und verziehen. Ich hoffe, wir sind mit diesen Berichten in der Lage gewesen, Euch/Ihnen allen das wissenschaftliche und auch das soziale Leben hier an Bord ein wenig näher gebracht zu haben.  Für mich als Fahrtleiter ist es ein besonderes Anliegen gewesen, unseren Lieben daheim, die nicht in der Wissenschaft stehen, die nicht mit all den unterschiedlichen Forschungsthemen, denen wir uns widmen, vertraut sind, einen kleinen Einblick in das „Wieso-Weshalb-Warum“ zu geben.

Das war’s dann aber auch. Übermorgen sind wir nämlich wieder bei Euch! Alle freuen sich, sind gut gelaunt – hoffentlich bleibt uns auch der Wettergott gutgesonnen (Wetter-Max hat es uns zumindest versprochen), damit wir wie geplant am Dienstagmorgen in Bremerhaven pünktlich einlaufen und festmachen werden!

 

Bis denne!

Ein letztes Mal die lieben Grüße, wie immer im Namen aller,

 

Ruediger Stein

(14.10.18)

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