PS119 - Wocenbericht Nr. 3 | 23. - 28. April 2019

Zum Ost-Scotia Rücken, wo neuer Meeresboden entsteht

[29. April 2019] 

Obwohl wir an den Osterfeiertagen Stationsarbeiten und die dazu gehörenden wissenschaftlichen Auswertungen auf FS Polarstern nicht minder betrieben haben, konnten wir doch auch die Osterfeiertage zelebrieren. An erster Stelle ist dabei der Mannschaft der Polarstern ein Lob auszusprechen, denn sie hat durch österliche Dekoration in den Messen des Schiffes für Feiertagsstimmung gesorgt.

Die Küche sorgte für weitere kulinarische Steigerungen, obwohl dies aufgrund des sowieso sehr hohen Standards auf dem Schiff kaum möglich erscheint. Die Folgen des guten Essens offenbaren sich meist sonntags im Wiegeclub. Letztlich trug auch die winterlich anmutende Gegend des Drygalski Fjörds (Abb. 1) zu einem Osterfest bei, das wir zuhause so nicht erleben können. Am Dienstag, den 23. April dampften wir unter Nutzung der akustischen Vermessungssysteme in Richtung Osten und erreichten am Abend den Ost-Scotia Rücken.

Dieser generell Nord-Süd verlaufende Rücken, wird durch Spreizung des Meeresbodens um etwa 5-6 cm pro Jahr und austretende Lava in Form von Kissenbasalten neu gebildet. Der Rücken, der durch ein rückenparalleles Schollenmosaik ein kompliziertes morphologisches Gebilde mit z.T. sehr steilen Hängen bildet, trennt die Scotia Platte im Westen von der Süd-Sandwich Platte im Osten. In Nord-Süd-Erstreckung wird der Rücken in 10 Segmente von jeweils 30 bis 90 km Länge aufgeteilt (E1 bis E10). In zwei der Segmente, in E2 und E10 wurden von unseren britischen Kollegen aktive Hydrothermalquellen entdeckt. In diesen Bereichen liegen Magmenkammern in 2-3 km Krustentiefe, von denen im Spreizungsbereich Magma sehr leicht aufsteigen kann und am Meeresboden ausfließt. Gleichzeitig dringt kaltes Meerwasser in den Rissen und Klüften des magmatischen Gesteines ein, erhitzt sich spätestens in der heißen Umgebung der Magmenkammern und steigt als heißes Fluid wieder auf. Dabei ist das heiße Fluid extrem aggressiv und löst aus dem Gestein zahlreiche Elemente (wie z.B. Metalle) heraus, die am Meeresboden beim Austritt in das kalte Meerwasser zu Mineralausfällungen führen, Schwarze und Weiße Raucher bilden und zum Besiedlungsort für chemosynthetisches Leben führen.

Nach Ankunft im Segment E2 des Ost-Scotia Rückens am Dienstagabend den 23. April haben wir zunächst mit dem OFOBS und mit einer CTD-Sonde mit Wasserschöpfern versucht, chemische Signale für heiße Quellen am Meeresboden in der Wassersäule zu finden. Dabei waren vor allem unsere sogenannten Mapper, die neben Trübung auch Temperatur und Redoxpotential detektieren, eine große Hilfe. Als autonom-registrierende Messinstrumente wurden sie bei fast allen Geräteeinsätzen mit eingesetzt. Diese Sucharbeiten wurden am Mittwoch, den 24. April fortgesetzt und am Donnerstag, den 25. April kam es dann endlich zu dem ersten Einsatz des ROV QUEST (Abb. 2). Wir tauchten in dem bekannten Hydrothermalfeld, welches während der James Clark Ross Expedition 224 vor 10 Jahren entdeckt wurde. Mit etwas Mühe konnten wir die meisten der bekannten Hydrothermalstrukturen wider erkennen, wobei sehr bald während des Tauchgangs klar wurde, dass es in den letzten 10 Jahren große Veränderungen gegeben haben muss. Einige der damals aktiven Schwarzen Raucher waren jetzt nicht mehr aktiv und andere zeigten aktive Fluidaustritte heute, die vor 10 Jahren inaktiv waren. Entsprechend haben sich auch die Besiedlungen der chemosyntetisch-lebenden Faunen verändert. Trotzdem konnten wir ausgewählte Organismen, wie einige Schnecken der Gattung Gigantopelta und eine sogenannte Kiwa-Krabbe, für geplante Aquariumsversuche erfolgreich bergen. Während des Tauchganges nutzten wir erstmals eine sogenannte Telepräsenz, die von unserem ROV Projektleiter Volker Ratmeyer und seinem Team für diese Reise installiert wurde. Dazu war eine spezielle Hardware angeschafft worden, die über die Antennenanlage der Polarstern eine stabile Satelliten-Übertragung der beim Tauchgang anfallenden Bilder mit 5 Mbit upload erlaubt, sodass Kollegen in Bremen und anderswo über das Internet sich online beim Tauchgang beteiligen konnten, indem sie die Audiokommunikation, die Datei-Übertragung und das interaktive Geographische Informationssystem in Echtzeit nutzten. Beim 2. Tauchgang mit QUEST am Samstag, den 27. April konnte zusätzlich im Rahmen eines Live-Streams über das Internet, die Öffentlichkeit mit einer Verzögerung von 30 Minuten an dem Tauchgang teilnehmen. Wie wir erfahren haben, wurde dies auch zu nächtlicher Zeit in Deutschland zwischen 22 Uhr abends bis 04 Uhr morgens genutzt. Zukünftig wollten wir alle weiteren Tauchgänge im Internet live zur Verfügung stellen (siehe Link am Ende des WB).

Auch der 2. Tauchgang war ein voller Erfolg, denn wir haben in einem unbekannten Gebiet ein wohl abklingendes Hydrothermalfeld entdeckt, wobei Mineralschlote, wahrscheinlich im Wesentlichen aus Schwerspat aufgebaut, mit gemessenen Fluidtemperaturen von 30-50°C assoziiert sind. Über dies und noch mehr wollen wir in der nächsten Woche berichten. Alle Fahrteilnehmer sind wohl auf.

 

Es grüßt im Namen aller Fahrtteilnehmer

Gerhard Bohrmann -  FS POLARSTERN Montag, den 28. April 2019

 

Während der Tauchgänge ist ein Live-Stream von Tauchroboter QUEST auf Forschungsschiff Polarstern im Internet zu sehen:

http://vcedge1.marum.de/


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