PS106/2 - Wochenbericht Nr. 5 | 21. - 26. Juni 2017

Woche 5: Von Longyearbyen in das Eis

[27. Juni 2017] 

Der Abschluss von PS106/1 war von den atemberaubenden Landschaften von Spitzbergens Küste in der Mitternachtssonne gekrönt (Abb. 1). Während Wissenschaftler und Besatzung den erfolgreichen Abschluss der PASCAL-Studie und ihrer physikalischen, biologischen und biogeochemischen Partner feierten, näherten sich ab und an Wale und Robben der Polarstern.

Vom 21. bis zum 23. Juni 2017 lag die Polarstern im Fjord vor Longyearbyen vor Anker. Hier verließ uns ein großer Teil der Wissenschaftler von PS106/1, und neue Fahrtteilnehmer kamen an Bord. Für diejenigen, die auch während des zweiten Fahrtabschnittes an Bord blieben, war der Aufenthalt in Longyearbyen eine willkommene Unterbrechung, die vor der Weiterfahrt einen Spaziergang an Land und ein paar entspannte Momente erlaubte.

Am Donnerstag, den 22. Juni begann meine neue Aufgabe als Fahrtleiter von PS106/2. Das erste wissenschaftliche Vorhaben von PS106/2 war ein sensibles Unterfangen. Mit Hilfe dreier aus Bremerhaven eingeflogener Experten wurden Billiardkugel-große Metallkugeln mit Hilfe von Präzisionswinden unter dem Kiel der Polarstern positioniert. In der Mitte des akustischen Sendestrahls unseres EK60 Echolots wurde das charakteristische Echo der Kugel zur Kalibrierung des Echolots genutzt. Diese Kalibrierung ist wichtig, um genaue Werte der Biomasse von Fischen und anderen Tieren anhand deren akustischer Rückstreuung in der Wassersäule ermitteln zu können.

Mit dem erfolgreichen Abschluss der Echolot-Kalibrierung am Abend des 22. Juni war die Polarstern bereit für ihren zweiten Fahrtabschnitt PS106/2. Dieser Fahrtabschnitt ist größtenteils der SiPCA Studie (Survival of Polar Cod in a Changing Arctic Ocean) gewidmet: SiPCA zielt darauf ab, die Bedeutung des Meereises für den Polardorsch, Boreogadus saida, in der Barentsee und dem angrenzenden Arktischen Ozean zu untersuchen. Der Polardorsch nimmt im arktischen Ökosystem eine Schlüsselrolle ein, da er die Hauptnahrungsquelle für Robben und Seevögel darstellt. Junger Polardorsch ist oft an der Unterseite des Meereises anzufinden, wo er ausreichend Nahrung, sowie Schutz vor Räubern findet. Aufgrund des Klimawandels nimmt die Ausdehnung des Lebensraumes an der Eisunterseite ab. Die auf dieser Expedition gewonnenen Daten werden helfen, die Widerstandsfähigkeit der Polardorschpopulationen gegen die fortschreitende Abnahme des Meereislebensraums abschätzen zu können.

Nach dem Verlassen von Longyearbyen umsegelten wir die Südspitze Spitzbergens, um anschließend das Spitzbergen-Archipel an seiner Ostseite zu umfahren. Unmittelbar nach Verlassen der 12-Meilen-Zone Norwegens setzten wir die kontinuierlichen Messungen im Wasser und in der Atmosphäre fort, die auch bereits während PS106/1 durchgeführt wurden. Ein neuer, spannender Aspekt unseres Programms kam hinzu: Kolleginnen und Kollegen von „Wangeningen Marine Research“ (WMR) aus den Niederlanden wechseln sich auf dem Peildeck ab, um Zählungen von Seevögeln und Säugetieren durchzuführen. Diese Beobachtungen machen SiPCA zu einer Ökosystemstudie, die von kleinen einzelligen Organismen, über Zooplankton und Fische, bis hin zu Vögeln, Walen und Eisbären reicht.

Seit der Abfahrt aus Longyearbyen gab es bereits eine beeindruckende Anzahl an Sichtungen. Direkt südlich von Spitzbergen fanden wir große Gruppen fressender Wale, wie Blau-, Buckel-, Fin- und Zwergwale, zusammen mit Weißschnauzendelphinen. In dieser Region sahen wir ebenfalls hunderte Krabbentaucher, Eissturmvögel und Dreizehenmöwen. Außerdem wurden hunderte Dickschnabellummen gesichtet. Mehrere Dreizehenmöwen, Elfenbeinmöwen, Islandmöwen und Lummen folgen unserem Schiff und fangen Polardorsch, der beim Eisbrechen an die Oberfläche gespült wird (Bild 2). Seit Erreichen der Eiskante haben wir insgesamt 16 Eisbären vom Schiff und aus dem Helikopter gesichtet.

Die erste offizielle Station auf PS106/2 wurde am 24. Juni 2017 erreicht. Die Station gehört zu einer täglich durchgeführten Kampagne zur Beprobung chemischer Komponenten aus der obersten Schicht des Wassers, die von CTD-Profilen begleitet wird.  

Gut eine Woche nach dem Verlassen der Driftstation von PS106/1 haben wir am Sonntag die Arbeiten auf und unter dem Meereis mit der ersten Eisstation von PS106/2 fortgesetzt. In der Zwischenzeit ist das sommerliche Schmelzen des Meereises fortgeschritten, und die Eisoberfläche wird mehr und mehr von Schmelztümpeln durchsetzt. Insgesamt ist das Meereis in dieser Region östlich von Svalbard bereits stärker geschmolzen als das Meereis weiter nördlich bei 82°N. Die Routine in der Eisarbeit des letzten Fahrtabschnitts hat die Stationsarbeit sehr effizient gemacht, und es war einfach die vielen neuen Teilnehmer direkt in die Arbeiten der einzelnen Gruppen zu integrieren. Im wesentlichen wurden die gleichen Messungen durchgeführt wie auf der Scholle von PS 106/1, jedoch musste diesmal alles innerhalb von 10 Stunden aufgebaut, gemessen, beprobt und abgebaut werden. Zeitgleich war es dank des guten Wetters auch möglich, Messungen per Helikopter von der Scholle und der Umgebung durchzuführen. Auf dem Meereis wurden als erstes die Geräte ausgebracht, die mehrere Stunden unter dem Eis hängen müssen, um Proben zu sammeln oder um in situ Experimente durchzuführen. Der Tauchroboter (das ROV Beast) wurde eingesetzt, um das Meereis und den obersten Ozean zu untersuchen und zu beproben. Eine Vielzahl von Eis- und Schneeproben wurden für physikalische, biologische und chemische Analysen gesammelt. Schmelztümpel wurden besonders intensiv beprobt.

Eine erste Analyse der Messungen und Beobachtungen zeigt, wie das Schmelzen des Eises voran geht und sich unmittelbar auf das Ökosystem und das Zusammenspiel von Meereis und Ozean auswirkt. Diese Region ist stark von der Nähe zur offenen Barentssee geprägt und wird in den kommenden Wochen vollständig eisfrei werden – wie jeden Sommer.

 

Mit Beiträgen von Susanne Kühn und Marcel Nicolaus. Übersetzung: Ulrich Küster

 

Beste Grüße von Wissenschaft und Besatzung,

Hauke Flores, Fahrtleiter

 


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