PS112 – Wochenbericht Nr. 5 | 22. April - 02. Mai 2018

Von Finnwal-Aggregationen, Spurenmetallen und dem Ende der Expedition

[02. Mai 2018] 

Nun hat die letzte Phase unserer Expedition begonnen. Nach einer Woche umgeben von Meer- und Gletschereis südwestlich der Antarktischen Halbinsel liegen wir erneut vor Elephant Island, wo wir die verbleibende Zeit der Expedition verbringen werden, bevor es wieder zurück nach Punta Arenas geht.

Geschützt durch den Windschatten von Elephant Island haben wir jüngst unsere vierte und letzte Prozess-Studie begonnen, die ein weiteres Mal den Fang von viel gesundem Krill und Salpen für unsere Experimente erforderte. Leider wurden unsere Bemühungen Tiere zu sammeln zunächst durch schwere See beeinträchtigt, doch schließlich konnten am einzigen ruhigen Tag der Woche die Taucher in Aktion treten. Durch den Einsatz verschiedener Methoden gelang es ihnen hunderte Salpen zu fangen, diese sicher zum Schiff zurück zu bringen und somit die letzte Runde Experimente zu ermöglichen.

Nach Elephant Island zurückzukehren und hier die letzten Tage unserer Forschungsreise zu verbringen war nicht nur für die Krill- und Salpen-Forschung günstig, sondern ebenfalls ein Glücksgriff für das Wal-Survey Team. Während unseres ersten Aufenthalts vor Elephant Island trafen wir bereits große Mengen von Finnwalen an, die im Zentrum des Interesses des Finnwal-Abundanz-Projektes stehen, welches unter der Leitung von Helena Herr, Universität Hamburg, durchgeführt wird. Finnwale waren in Zeiten des kommerziellen Walfangs die am stärksten bejagte Walart im Südpolarmeer, im Zuge dessen ihre Zahl auf lediglich 2 % der Ursprungsbestände reduziert wurde. Bis heute ist nicht genau bekannt, wie weit sich die Bestände erholen konnten. Finnwale sind schnelle Schwimmer, die den Großteil ihres Lebens weit entfernt von der Küste verbringen. Diese Eigenschaft bringt Schwierigkeiten bei ihrer Erforschung mit sich. In den letzten Jahren wurden große Anzahlen von Finnwal-Sichtungen und akustische Nachweise vor der Westantarktischen Halbinsel verzeichnet (Foto 2). Daher ist es das Ziel der Wal-Surveys, Finnwal-Sichtungen im Untersuchungsgebiet unserer Expedition zu kartographieren. Wir wollen die Finnwal-Population zahlenmäßig einschätzen und Triebfedern für ihre Verbreitung erforschen. Besonders interessiert uns das Verhältnis von Finnwal- und Krill-Populationen. Diese Expedition bietet eine exzellente Gelegenheit Krill- und Finnwal Populationen gleichzeitig zu erfassen und ihre Verbreitungsmuster zu vergleichen. Daten über die Verbreitung der Wale werden vom Hubschrauber aus gesammelt, mit denen das Wal-Team in der Lage ist, die Transekte der Krill-Studien abzudecken. Die Helikopter ermöglichen große Distanzen in den kurzen Perioden geeigneten Wetters abzudecken. Außerdem können auf diesem Wege Daten über die Walverbreitung erhoben werden, ohne die Tiere durch das Schiff und seine Geräuschkulisse zu beeinflussen. Für die visuelle Datenerhebung während der Flüge sind ruhige Wetterbedingungen und gute Sicht allerdings unabdingbar. Solche Bedingungen sind aber gerade in diesem Teil der Welt nicht häufig anzutreffen, gerade jetzt im Herbst der Südhalbkugel. Bedingt durch zeitliche Einschränkung und ungünstiges Wetter hatte unser erster Halt bei Elephant Island Lücken im Netz der Beobachtung gelassen. Im Laufe der letzten Tage ist es dem Wal-Survey-Team gelungen diese Lücken zu schließen und die Beobachtung erfolgreich abzuschließen.

Hohe Aggregationen von Finnwalen scheinen durch eine hohe Krillabundanz bedingt zu sein und Krill ernährt sich wiederum, weitestgehend, von Phytoplankton. In vielen Regionen des Südpolarmeeres wird jedoch das Wachstum des Phytoplanktons durch einen Mangel am Spurenmetall Eisen gehemmt. Das Ziel der Spurenmetall-Gruppe an Bord (Foto 3) - unter der Leitung von Florian Koch - ist es, den Einfluss der Limitation durch Eisen und andere Spurenelemente (Zink und Vitamin B12) in den Gewässern der Westantarktischen Halbinsel zu beleuchten und zu entschlüsseln. Zusätzlich werden die Einflüsse des Kots von Krill und Salpen wie auch verschiedener Staubquellen auf Spurenmetallkonzentrationen und deren Bioverfügbarkeit untersucht. Da die Polarstern selbst aus 11 820 Tonnen Metall besteht, gilt es extreme Vorsicht walten zu lassen, um die Proben nicht zu kontaminieren.  Eine Teflon-Membranpumpe, verbunden mit einem Polyethylene-Schlauch, wurde benutzt, um Oberflächenwasser aus 20 Metern Tiefe direkt in einen spurenmetallfreien Reinraum-Container zu pumpen, wo das Seewasser beprobt werden konnte. Innerhalb von 6 Stunden wurden auf oben beschriebenem Weg 3000 Liter dieses speziellen Seewassers auf die Polarstern befördert. Dieses Pumpverfahren wurde an 3 Stationen durchgeführt - eine davon lag in ozeanischen High Nutrient Low Chlorophyll (HNLC) Gewässern und zwei in küstennahen Chlorophyll-armen Regionen. Mit diesem speziellen Seewasser konnten wir 10 Experimente durchzuführen, in denen der Einfluss von Kot, Staub und Konsumption auf die Phytoplankton-Spurenmetall-Dynamik erforscht wurde. Eine weitere Methode, um Spurenmetallfreies Wasser zu sammeln, ist die sogenannte „GoFlo“ (Foto 4). Im Gegensatz zu den regulären Flaschen in einer CTD-Rosette die offen ins Wasser gelassen und auf definierter Tiefe geschlossen werden können, hat die „GoFlo“ einen spezialisierten Mechanismus. Dieser ermöglicht die Flasche geschlossen ins Wasser herabzulassen, was die Kontamination durch den Schiffsrumpf minimiert. Mit Hilfe der „GoFlo“ wurde Wasser an 10 Stationen gesammelt, um Spurenmetall- sowie Vitamin-Veränderungen und Recyclingprozesse unter Verwendung radioaktiver Isotope zu messen. Radioisotope sind ein leistungsfähiges Werkzeug, um verschiedene ratenbasierte Prozesse in marinem Milieu zu messen und die Polarstern hat einen State of the Art Isotopen-Container, in dem diese Substanzen in sicherer Umgebung benutzt werden können. Gleichzeitig wurden die bakterielle Produktion und Primärproduktionsraten untersucht und Wasserproben genommen, um die Planktongemeinschaft und auch die Wasserchemie (Spurenmetalle, Liganden, Nährstoffe, Vitamine) zu charakterisieren

Am 30. Mai haben wir unsere Arbeiten auf der letzten Prozess-Studien-Station beendet und Elephant Island verlassen, um unser Transekt Richtung Norden zur Bestimmung der Krill- und Salpenabundanz abzuschließen. Jetzt sind alle Arbeitsgruppen mit dem Packen des Forschungsmaterials und der Organisation der genommenen Proben beschäftigt und hoffen auf eine nicht zu schauklige Überquerung der berüchtigten, von Tiefdruckgebieten durchzogenen, Drake Passage.

PS112 war eine sehr erfolgreiche Expedition. Es wurden erstmalig Experimente mit der Salpenart Salpa thompsoni im Südpolarmeer durchgeführt, deren Interaktion mit dem antarktischen Krill Euphausia superba untersucht sowie den Einfluss beider Organsimen auf die biologische Kohlenstoffpumpe und die Phytoplanktongemeinschaft studiert. Weiterhin konnten wir auf unserem Weg Zeugen einer großen Finnwal-Aggregation sein und deren Jagdverhalten auf den Krill beobachten, was bisher noch nie dokumentiert wurde. Nun freuen wir uns darauf, die hunderten von Daten und genommenen Proben in unseren jeweiligen Heimat-Instituten zu analysieren und sie im Rahmen unserer Projekte zusammenzufügen.

Mit den besten Grüßen aller Expeditionsteilnehmer von Bord der Polarstern

 

Helena Herr, Florian Koch und Bettina Meyer (Fahrtleitung)

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