PS113 - Wochenbericht Nr. 4 | 28. Mai – 3. Juni 2018

Tropischer Nordatlantik: Wasser kühl, Luft staubig

[04. Juni 2018] 

Die ganze Woche fuhren wir unter nur leicht bewölktem Himmel in der Zone des Nordostpassates, der Polarstern meist stark entgegen blies. Mit Überquerung des nördlichen Wendekreises (Wendekreis des Krebses) auf 23° 26′ 05″ Nord haben wir in der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni die Tropen verlassen und befinden uns nun wieder in den Subtropen, jetzt den nördlichen. Obwohl wir uns in den Tropen und Subtropen bewegt haben, waren Wasser und Luft um uns herum mit Temperaturen um 20°C oder knapp darüber relativ kühl, 10° kälter als tagsüber in weiten Teilen Deutschlands. Klingt nach verkehrter Welt, hat aber eine einfache Erklärung.

Auf der Westseite der Kontinente beziehungsweise Ostseite der Ozeane treibt in den Passatzonen der ablandige Wind das warme Oberflächenwasser weg von den Küsten. Zum Ausgleich wird kaltes Tiefenwasser nach oben getrieben. Dieses kalte Tiefenwasser bringt neue Nährstoffe wie Nitrat in die vom Sonnenlicht durchdrungene Oberflächenschicht, und pflanzliches Plankton kann wachsen. Deshalb gehören die Küstenauftriebsgebiete auch zu den bedeutendsten Fischereiregionen der Erde.

In Satellitenkarten der Chlorophyllverteilung, die Dank der AWI-Phytooptik-Gruppe auch hier an Bord zur Verfügung stehen, war die starke Zunahme der Phytoplankton-Konzentration nahe der afrikanischen Küste deutlich zu erkennen. Einzelne Zungen erhöhter Chlorophyllkonzentration erstreckten sich von der Küste bis über unsere Fahrtroute in 200 Seemeilen Entfernung in den offenen Ozean hinaus. Wir nutzten diese Gelegenheit, Instrumente und Sensoren am Triaxus/topAWI-Schleppsystem hinsichtlich ihrer Eignung zur Erfassung biogeochemischer Parameter zu testen. Dazu schleppten wir Triaxus 23 Stunden kontinuierlich durch eine dieser Zungen – mit sehr zufriedenstellendem Ergebnis. Einen ähnlichen, 32-stündigen Dauerschleppensatz hatten wir schon einmal bei der Äquator-Überquerung vorgenommen. Dabei stand aber der Test der an Triaxus montierten Strömungsprofiler (ADCPs) als Messgeräte der Stromscherung im Vordergrund. Den Äquator hatten wir dafür ausgewählt, weil dort zwischen etwa 50 und 200 m Tiefe der äquatoriale Unterstrom mit 1 m/s nach Osten setzt – entgegen der angrenzenden westwärts gerichteten Nord- und Süd-Äquatorialströme.

Das von unserer Fahrtroute gestreifte Auftriebsgebiet vor Nordwestafrika bekommt zudem noch einen Spurennährstoff von oben: Eisen, das im Saharastaub enthalten ist. In vielen landfernen Ozeangebieten herrscht Eisenmangel, sodass selbst bei guter Versorgung mit den anderen Nährstoffen das Phytoplankton-Wachstum begrenzt ist. Vom Bordmeteorologen vorgestellte Aufnahmen von Wettersatelliten ließen gigantische Staubwolken erkennen, die durch den Passatwind von der Sahara auf den Atlantik hinaus und bis hinüber zum amerikanischen Kontinent geweht wurden.

Der Saharastaub wurde auch von Bord aus gemessen. Während der Transitfahrt betreut das Team des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) aus Leipzig verschiedene Fernerkundungsmessgeräte, die im Rahmen des OCEANET Projekts regelmäßig an den Überfahrten teilnehmen und kontinuierliche, hochaufgelöste Beobachtungen liefert. Die Atlantiküberquerung erlaubt direkte Studien zum Kontrast zwischen der anthropogen belasteten Nordhemisphäre und der deutlich saubereren Südhemisphäre. Eines der wichtigsten Messgeräte ist ein Lidar (Light Detection and Ranging), mit dessen Laserstrahl die vertikale Aerosol- und Wolkenverteilung in der Atmosphäre physikalisch charakterisiert werden kann.

Aus den Messungen lassen sich unter anderem der Aerosoltyp sowie die Größe und Anzahl der Partikel höhenaufgelöst ableiten. Weitere Messgeräte erfassen die am Boden ankommende solare Einstrahlung und zusätzliche Wolkenparameter, wie Säulenwerte von Wasserdampf und Flüssigwasser.

Mit Erreichen des Passatgürtels nördlich der innertropischen Konvergenzzone wurde es für die Atmosphärenwissenschaftler nochmals spannend. Nach 3 Wochen mit marinen Aerosolen lag nun die Sahara genau in der Richtung, aus welcher der Passatwind wehte, und abgehobene Staubschichten kreuzten unseren Kurs auf ihrem Weg nach Westen. In den Messungen des Lidars war zu erkennen, wie entlang der Fahrtstrecke die Staubwolke über Polarstern zunächst an Mächtigkeit gewann und sich in den darauffolgenden Tagen zwischen 1.5 und 5 km Höhe erstreckte. Die vom Staub verursachte Trübung des Himmels ließ sich auch mit bloßem Auge beobachten. Mit Annäherung an die Kanaren zum Ende der Woche nahm die Dicke der beobachteten Staubwolke dann langsam wieder ab.

Für Staub charakteristische hohe Werte der aerosol-optischen Dicke bei gleichzeitig niedrigem Wasserdampfgehalt der Atmosphäre wurden auch von einer Mitarbeiterin des Max-Planck-Instituts für Meteorologie aus Hamburg mit einem MICROTOPS Sonnen-Photometer gemessen. Das MICROTOPS Sonnen-Photometer misst den Attenuationseffekt von Streuung und Absorption durch Aerosole (wie z.B. Staub und Meersalz) und Gase (Wasserdampf) bei fünf verschiedenen Wellenlängen und gibt so Aufschluss über Aerosol-Konzentration und Partikelgrößen. Dazu muss es bei klar erkennbarer Sonnenscheibe per Hand darauf ausgerichtet werden. Solange die Sonnenscheibe nicht durch Wolken verdeckt ist, wird diese Messung alle 15 – 20 Minuten wiederholt – ein arbeitsintensives Messverfahren. Die gewonnenen Daten werden allgemein-verfügbar an die NASA übermittelt und dienen zur Verbesserung von Satellitenmessungen und Klimamodellen.

Zusätzlich zu den MICROTOPS-Messungen werden mit einem dualen Kamerasystem kontinuierlich Wolkenparameter aufgezeichnet. Die im sichtbaren Spektralbereich arbeitende Kamera ist mit einer Fischaugen-Linse ausgestattet; sie nimmt die Wolkenverteilung am Himmel auf. Aus den Aufnahmen der Infrarot-Kamera lassen sich Wolkeneigenschaften wie Höhe und Temperatur der Wolkenunterseite ableiten.

Heute haben wir mit Las Palmas, Gran Canaria, das Etappenziel unserer Transitfahrt nach Bremerhaven erreicht und zur Weiterfahrt bereits wieder verlassen. Ein Kollege hat uns hier wegen anderer beruflicher Verpflichtungen leider verlassen müssen. Dafür sind vier Kolleginnen zugestiegen, die wir herzlich an Bord willkommen heißen.

 

Mit besten Grüßen von Bord Polarstern an alle Verwandten, Freunde und Kollegen daheim,

 

Astrid Bracher, Martin Radenz, Jessica Vial und Volker Strass

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