PS112 - Wochenbericht Nr. 3 | 8. - 14. April 2018

Salpen, Krill und Elephant Island

[17. April 2018] 

Letzte Woche haben wir die Gewässer um Elephant Island erforscht. Die Insel ist nach der großen Anzahl von See-Elefanten benannt - riesige gemütlich anmutende Kolosse, die bis zu 2 Tonnen schwer werden können. Diese Region ist exponiert und für raues Wetter bekannt. Das Glück war uns jedoch hold und wir konnten unser intensives Forschungsprogramm ohne Unterbrechungen durchführen. Die Stimmung an Bord ist hervorragend und wir haben alle sehr viel geschafft.

Unsere Walbeobachter sind mit ihren Helikoptersurveys besonders froh - sie haben tatsächlich Gruppen von fressenden Finnwalen beobachten können. Wo es fressende Wale gibt, da gibt es auch Krill – und diesen haben wir auch entsprechend in rauen Mengen gefunden. Die Signale auf den Echosoundern waren eindeutig und unsere Netze haben genug Krill und Salpen an Bord geholt, um alle Wissenschaftler glücklich zu machen - alle Experimente konnten erfolgreich gestartet werden. Vor unserer Reise hatten wir uns noch Sorgen gemacht, weil nach den diesjährigen, recht einhelligen, bisherigen Sichtungen, 2018 kein gutes Salpenjahr hätte sein sollen. Evgeny Phakomov – unser Salpenexperte von der Universität in Vancouver bringt es auf den Punkt: “Das soll ein schlechtes Salpenjahr sein? Dann will ich nicht während eines guten Salpenjahres hier sein!“.

Obwohl wir viele Wale, Salpen und Krill nördlich von Elephant Island beobachtet haben, ergaben die Messungen von Chlorophyll nur geringe Konzentrationen. Ein Wert von nur 0,2 mg Chlorophyll pro Kubikmeter deutet in dieser Region darauf hin, dass Salpen und Krill einen hohen Fraßdruck auf das Phytoplankton ausüben.

Im Moment folgen wir unserem Untersuchungsgrid Richtung Süden in die Weddellsee und den Antarktischen Sound. Es wird spannend sein zu sehen, wie die Abundanzen von Walen, Salpen, Krill und Phytoplankton aussehen werden, wenn wir in einer Woche wieder nordwärts zurück in das Gebiet um Elephant Island zurückkehren. Wird die Zeit reichen, um noch einmal eine höhere Chlorophyllkonzentration durch nachwachsendes Phytoplankton zu erzeugen? Die Wale fressen zurzeit viel Krill nördlich Elephant Island. Vielleicht wird damit die Anzahl des Krills so reduziert, dass das Phytoplankton wieder eine hohe Biomasse erreichen kann - oder vielleicht werden die Salpen die Dominanz übernehmen und durch hohe Fressraten die Biomasse des Phytoplanktons niedrig halten? Es ist ein sehr dynamisches System – wir sind sehr gespannt und hoffen, die Wechselwirkungen richtig erfassen zu können.

Wer Nahrung aufnimmt, muss auch die Reste wieder loswerden. Krill und Salpen fressen viel – hauptsächlich Phytoplankton - und sind sehr zahlreich im antarktischen Südozean vertreten.  Enorme Mengen organischen Materials werden somit täglich in kleine Kotballen, sog. fecal pellets, umgewandelt.

Hier auf Polarstern haben wir ein großes Team, dass sich vorrangig mit den Ausscheidungen und Kotballen von Krill und Salpen auseinandersetzt und den Transport dieser Partikel in die Tiefe des Ozeans analysiert. Dieses Team besteht aus Nora-Charlotte Pauli, Clara Flintrop, Evgeny Pakhomov, Larysa Pakhomova, Christian Konrad und Morten Iversen.

Anhand der vorhandenen organischen Partikel und fecal pellets kann extrapoliert werden, welche Mengen Kohlenstoffdioxid von der Atmosphäre ins Meer und in den biologischen Kreislauf des Ökosystems aufgenommen werden. Die Aufnahme von CO2 und die Umwandlung in komplexeres organisches Material unter Umwandlung von Sonnenenergie ist der erste elementare Schritt des Lebens und wird hier im Südozean hauptsächlich durch Diatomeen, Dinoflagellaten und anderes Phytoplankton vollzogen. Die durch Fraß, Verdauung und Absterben entstehenden organischen Partikel und Kotballen sinken nach unten und bringen somit auch Nährstoffe in die Lebensräume der Tiefsee. Sie erhalten damit auch die Biomasse von Tiefseefischen und anderen, eher bodennah lebenden Organismen. Auf dem Weg in die Tiefe werden aber auch diese Partikel erneut zur Nahrung in verschiedenen Prozessen der biologischen Umwandlung. Ein wichtiger Teil des organischen Materials schafft es auch ganz bis zum Ozeanboden – CO2 aus der Atmosphäre ist somit letztendlich in die Tiefsee transportiert worden. Dieser Prozess wird mit dem Begriff einer „biologischen Pumpe“ umschrieben – ein Prozess von immenser Bedeutung im Zeichen des anthropogenen Klimawandels.

Traditionell werden solche Prozesse beobachtet, indem sinkende Partikel als eine undifferenzierte Gesamtmasse in sog. Sinkstofffallen gesammelt werden. Allerdings gehen dadurch Informationen über mechanistische Prozesse verloren, wodurch die genauen Abbau- und Exportprozesse unbekannt bleiben. Durch genaue Messungen von Partikelgrößenverteilungen in Kombination mit Sinkstoffflüssen, Zooplanktonverteilung und dem Fraßverhalten, hoffen wir daher ein aussagekräftigeres Verständnis vom Kohlenstoffexport im südlichen Ozean zu erhalten

Dafür machen wir genaue Kartierungen von der vertikalen und horizontalen Verteilung von Krill und Salpen im Ozean mit Hilfe von Echoloten und Netzfängen und stellen diese Beobachtungen in den Zusammenhang mit der Bestimmung von Fraß- und Kotballenproduktionsraten in Laborexperimenten an Bord. Wir bekommen damit ein Verständnis von der Umwandlung von Phytoplankton in große, schnell sinkende Kotballen in unserem Forschungsgebiet. Wir nutzen Kameraprofile (Bild 1) und modifizierte Sinkstofffallen (Bild 2), die mit einem viskosen Gel ausgestattet sind. Die Fallen werden in einigen hundert Metern Meerestiefe ausgesetzt, um Partikel einzufangen. Sie verbleiben dort bis zu 24 Stunden. Das Gel sorgt dafür, dass die Größe, Struktur und Form der Partikel erhalten bleibt, wenn die Partikel auf ihrem Weg zum Ozeanboden dort hineinfallen. Es erlaubt uns somit hochauflösende Untersuchungen der zerbrechlichen Kotballen von Krill und Salpen. Hiermit können wir genau erfassen, wie viele der produzierten Kotballen es tatsächlich bis zum Meeresboden schaffen und wie viele in der Wassersäule durch mikrobiellen Abbau und Zooplanktonfraß vorzeitig umgesetzt werden.

Um herauszufinden, wie groß der Anteil derjenigen Kotballen und Partikel ist, die beim Sinken unter dem Einfluss von Zooplankton und Mikroben aufgelöst oder weiterverwendet werden, machen wir Messungen von größenspezifischen Sinkgeschwindigkeiten, mikrobieller Respiration und von der biogeochemischen Zusammensetzung. Wir haben auch ein 60 Liter zylindrisches Aquarium mitgenommen, einen sogenannten Kreisel (Bild 3), um Videoaufnahmen vom Fraßverhalten von Krill und Salpen an den Kotballen des jeweils anderen zu machen. Wir machen diese Studien mit infrarotem Licht, um das Fraßverhalten in der Wasseroberfläche während der Nacht zu erfassen. Unser Ziel ist es, das Schicksal von Kotballen von Salpen und Krill im Antarktischen Meer zu verstehen.

Eine naheliegende Frage ist wohl: Warum ist es interessant, die Abfallprodukte von Krill und Salpen zu studieren? Neue Funde haben gezeigt, dass im südlichen Ozean ein Wechsel in dem Vorkommen von Krill zu Salpen stattgefunden hat. Wir wissen bisher nicht genau, welche Bedeutung dieser Wandel für die Struktur und die Funktion des Ökosystems hat.

Salpen haben kein selektives Fraßverhalten und filtern alles, was in ihre Schlundöffnung hineinpasst - angefangen von winzigen Bakterien bis hin zu Phytoplankton und größeren Partikeln. Deswegen kann im Verhältnis zu Krill eine größere Menge von Phytoplankton in große, schnell sinkende Salpenkotballen umgewandelt werden, so dass ein Wechsel von Krill zu Salpen zu einem höheren Export von organischem Kohlenstoff führen könnte und damit letztlich zu einer höheren Effizienz der biologischen Pumpe. Ein Wechsel von Krill zu Salpen könnte aber auch dazu führen, dass weniger Futter für größere, krillfressende Lebewesen - wie Wale und Pinguine - zur Verfügung steht.

Im Moment dampfen wir Kurs Süden in das Weddelmeer, wo wir hoffen, die Laichgründe von Krill zu finden, um Krilllarven zu beobachten. Hoffentlich werden wir in diesen kalten, südlicheren Gewässern in der Hauptsache Krill finden, um zu verstehen, wie die Export- und Abbauprozesse von organischem Material in einem von Krill dominierten Ökosystem funktionieren.

Mit dem Vergleich zu unseren Untersuchungen um Elephant Island, in denen Salpen die tragende Rolle spielten, können wir besser verstehen, wie in der Zukunft ein möglicher, immer größerer Einfluss von Salpen auf das Ökosystem und den Export von organischem Kohlenstoff aussehen könnte.

Die Kenntnis dieser Zusammenhänge und Prozesse ist wichtig, um Vorhersagen über die Zukunft von marinen Säugetieren und das gesamte Ökosystems im südlichen Ozean treffen zu können. Unsere diesbezügliche Forschung wird uns darüberhinaus Aufschluss geben, wie die zukünftige Kohlenstoffspeicherung im südlichen Ozean funktionieren wird, auch wenn es tatsächlich einen Wechsel der Dominanz von Krill zu Salpen geben sollte.

Viele liebe Grüße von einer hoch motivierten Polarstern bei guter Stimmung,

im Namen der Fahrtleiterin, Bettina Meyer und allen Teilnehmern,

 

Morten Iversen

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