PS104 - Wochenbericht Nr. 5 | 6. - 12. März 2017

Das Ende einer erfolgreichen Expedition

[13. März 2017] 

Durch eine Welt gigantischer Eisberge fuhr die Polarstern auf dem Weg von der Pine-Island-Bucht zur westlichen Amundsenmeerbucht. Die Eisberge sind hier so zahlreich, weil sich zwischen dem Westen und Osten des Kontinentalschelfs eine bathymetrische (unterseeische) Schwelle als nördliche Fortsetzung der Bear-Halbinsel erhebt, auf der die Eisberge aufliegen und sich nur kurz bei Hochwasser bewegen.

Dieser sogenannte Bear-Rücken teilt den Schelf in zwei Bereiche, deren glazial-morphologische Bodenformen und Sedimente auch von zwei verschiedenen glazialen Systemen geprägt sind. Hier auf dem westlichen Schelf herrschen nicht mehr die Spuren der vergangenen Eisströme der Pine-Island-, Thwaites- und Smith-Gletscher, sondern die der Kohler- und Getz-Gletscher vor. Beide Gletschersysteme tragen ebenfalls zum großen Eismassenverlust dieser Region bei und unterliegen den gleichen durch warme ozeanische Tiefenströmungen bedingten Schmelzprozessen. Auch sind hier anhand früherer Seismikdaten Sedimentschichten anzunehmen, die den Übergang von eisfreien Warmzeiten bis in die Zeiten der ersten glazialen Vorstöße eines wachsenden westantarktischen Eisschildes dokumentieren könnten. Daher ist dieses Gebiet ebenfalls von großem Interesse für unsere Bohrziele und andere Arbeiten, gerade auch im Vergleich zu den erbohrten Sedimentkernen vom östlichen Schelf und der Pine-Island-Bucht.

Auf dem Weg zu den Bohrzielen nutzen die Landgeologen und Geodäten die guten Flugbedingungen, um erstmalig Gesteinsproben von Aufschlüssen der Martin-Halbinsel des Marie-Byrd-Landes zu sammeln. Wie auch bereits an den anderen Gesteinsaufschlüssen der Pine-Island-Bucht sind auch hier die Felsen fleckenweise mit Flechten bewachsen.

Auch die Geophysiker Florian und Ricarda haben wieder die Gelegenheit genutzt, Flüge für Helikopter-Magnetikmessungen zu unternehmen. Bereits im östlichen Amundsenmeer haben sie zahlreiche Messflüge unternommen, um Lücken in einem Gitternetz von unseren früheren Messflügen in 2006 und 2010 zu schließen und bisher unvermessene Regionen zu überdecken. Bei dieser Methode schleppt der Helikopter an einem ca. 30 m langen Kabel eine magnetische Messsonde, die die Intensität des Erdmagnetfeldes entlang möglichst gerader Flugstrecken misst. Nach entsprechender Bearbeitung der Messdaten des Gitternetzes bekommt man eine Karte der Verteilung der Magnetfeldanomalien im Messgebiet, mit Hilfe derer die Geophysiker Aussagen über tektonische Strukturen der Erdkruste treffen können. Auch werden diese Daten genutzt, um daraus den geothermischen Wärmestrom abzuleiten, weshalb diese Messungen gerade im Zusammenhang mit den im Meeressediment über die Wärmelanze gemessenen Temperaturgradienten so wichtig sind.

In dieser letzten Arbeitswoche haben wir vier Bohrungen mit dem MeBo durchführen können. Zwei der Bohrungen liegen an der gleichen Stelle, da die erste Bohrung schon nach 8 Metern Tiefe abgebrochen werden musste. Wir sind für die letzte Bohrung aber nochmals zu dieser Station zurückgekehrt, um mit besserem Wissen über die Gesteinsbeschaffenheit (Lithologie) die Bohrstrategie, u.a. mit einer anderen Bohrkrone, zu optimieren. Und diese Strategie gab uns Recht – wir sind nach einem Schichtenübergang in ziemlich verfestigtem Tonsandstein bis auf 17.5 m Bohrtiefe gekommen und haben einen Kerngewinn von 50% erhalten. Fossile Diatomeen sind in dem Kernmaterial erhalten, aber das genaue stratigraphische Alter lässt sich noch nicht bestimmen. Dafür sind weitere Analysen notwendig. Von den anderen beiden Bohrziele lag eines in einer – nach Analyse seismischer Daten – stratigraphisch jüngeren Sedimentabfolge, und wir haben dort in bis auf 7.5 m Tiefe recht verfestigten Diamict, also Sediment mit unterschiedlichen Korngrößen, erbohrt. Das andere Bohrziel lag in der stratigraphisch ältesten Sedimentabfolge und erbrachte sehr harten dunklen Tonstein aus bis zu über 10 m Bohrtiefe. Der Kerngewinn war hier mit 40% auch erstaunlich gut.

Wie anfangs schon erwähnt, haben wir es bei den beiden östlichen und westlichen Schelfregionen des Amundsenmeeres mit dem Einfluss verschiedener Gletschersysteme und damit eventuell mit unterschiedlichen Sedimentationsabläufen zu tun. Um die beiden Regionen aber stratigraphisch vergleichen zu können, ist es wichtig, die Bohrlokationen beider Gebiete mit seismischen Vermessungsprofilen miteinander zu verbinden. Dafür haben wir auch hier eine seismische Vermessung mittels eines vom Schiff geschleppten 600 m langen Hydrophonkabels durchgeführt. 5 Knoten Fahrt halten es auf einer Wassertiefe von ca. 10 m. In jedem Meter dieses Kabels befindet sich ein Hydrophon, welches, ähnlich einem Mikrophon, akustische Wellen aufnehmen kann. Dieser sogenannte „Streamer“ registriert mit seiner Datenaufzeichnungseinheit die seismischen Wellen, die alle 10 Sekunden mit zwei kleinen Luftpulsern hinter dem Schiff ausgelöst werden. Mit diesem Verfahren der Reflexionsseismik können Schichten von abgelagerten Sedimenten aus bis zu mehreren Kilometern Tiefe unter dem Meeresboden abgebildet werden.

Am Samstagmorgen haben wir die wissenschaftlichen Arbeiten dieser Expedition abgeschlossen und den Rückweg nach Punta Arenas angetreten. Abends feierten wir das erfolgreiche Ende der wissenschaftlichen Arbeiten mit einem Grillfest. Alle Arbeitsgruppen sind nun beschäftigt, die Geräte und gewonnenen Proben sicher zu verstauen, denn die ruhigen Seegangsbedingungen, mit denen wir in den letzten 4 Wochen auf dem Kontinentalschelf verwöhnt wurden, werden mit Sicherheit auf dem Transit durch den Südost-Pazifik nicht anzutreffen sein.

Wir melden uns aber noch einmal bei Ihnen mit einem Resumé der Expedition in einem abschließenden Wochenbericht am Ende der nächsten Woche.

 

Mit herzlichen Grüßen im Namen aller Expeditionsteilnehmer

 

Karsten Gohl

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