PS109 - Wochenbericht Nr. 2 | 18. - 24. September 2017

Am 79°N Gletscher

[26. September 2017] 

Wir können auf eine sehr bewegte und aufregende Woche zurückblicken. Zu Beginn konzentrierten sich unsere Arbeiten noch auf den Bereich der Schelfkante Nordostgrönlands am Eingang des Westwind Trogs - einer sich zum inneren Schelf fortsetzenden, kanalartigen Vertiefung. In diesem Trog befindet sich am Boden das verhältnismäßig warme Atlantikwasser.

Neben hydrographischen Messungen standen hier geologische Sedimentarbeiten mit dem Schwerelot im Mittelpunkt. Letztere sollen einen Aufschluss darüber erlauben, wie weit sich der grönländische Eisschild auf den Kontinentalschelf während der letzten Eiszeit erstreckte, und in welcher Abfolge er sich wieder zurückzog. Ebenso konnten wir in diesem Gebiet gezielt Sedimente vom Meeresboden beproben, anhand derer untersucht werden soll, wie der Schmelzwassereintrag durch die grönländischen Gletscher die benthisch-biogeochemischen Prozesse beeinflussen.

Vorbei an einer Vielzahl von Eisbergen folgte Polarstern hiernach dem Verlauf des Westwind Trogs nach Westen, in dem die geologischen und benthischen Arbeiten fortgesetzt wurden. Zu diesem Zeitpunkt konnten nun auch die Geodäten, Seismologen und Glaziologen, die allesamt wissenschaftliche Fragestellungen auf dem grönländischen Festland und dem 79°N Gletscher verfolgen, ihre helikopterbasierten Flüge beginnen.

Wir setzen den Weg an die grönländische Küste bis zum Eingang des Djimphna Sundes fort. Sehr dichtes Eis ließ uns dabei nur langsam vorankommen. Der Djimphna Sund führt - umrahmt von steilen, verschneiten Felsen - zur verhältnismäßig kleinen, nördlichen Kalbungsfront des 79°N Gletschers. Am Eingang des Sundes konnten wir eine ozeanographische Verankerung bergen, die seit August 2016 kontinuierlich das Ausströmen des gletscherbeeinflussten Ozeanwassers vermessen hatte. Angesichts der Präsenz von tiefreichenden Eisbergen sind wir sehr glücklich, dass uns diese Bergung gelungen ist.

Hiernach gelangten wir an der grönländischen Küste ca. 30 Meilen südwärts, um in die  felsenumrahmte, verschneite und atemberaubend schöne Bucht vor der Hauptkalbungsfront des 79°N Gletschers zu gelangen – ein sehr wichtiges Ziel unserer Expedition.  Dieser Gletscher weist eine zwischen Felsen eingekeilte schwimmende Eiszunge auf, die auf einer Länge von 80 km eine mit Meerwasser gefüllte, mehrere Hundert Meter tiefe Kaverne aufweist. Es konnten alle vier im letzten Jahr direkt vor der Gletscherfront ausgelegten ozeanographischen Verankerungen geborgen werden. Dabei handelt es sich um die ersten Zeitserienmessungen in diesem Bereich überhaupt. Ferner wurden ein schiffsbasiertes Messprogramm der Atlantik- und Schmelzwasserzirkulation und eine intensive chemische Wasserprobennahme durchgeführt. Auch weitere benthische und geologische Untersuchungen im Zusammenhang mit dem 79°N Gletscher standen Vordergrund. Zudem können wir von einem äußerst erfolgreichen Einsatz mit dem autonomen Tauchboot PAUL entlang des komplexen Einstrompfades des Atlantikwassers zum 79°N Gletscher berichten. Die Arbeiten liefen dabei bei Außentemperaturen bis zu -15°C und rasch voranschreitender Neueisbildung ab. Dem unermüdlichen Einsatz und der enormen Erfahrung des Brücken- und Deckspersonals von Polarstern ist es zu verdanken, dass wir komplexe Messsysteme wie die CTD Rosette, die benthischen Lander oder auch das Tauchboot bei diesen Bedingungen erfolgreich betreiben können. Aufgrund der großen Einsatzbereitschaft des Helikopterteams und der zuverlässigen Vorhersagen der Bordwetterwarte zeigen die  flugbasierten Arbeiten trotz der recht unvorteilhaften, variablen und winterlichen Bedingungen einige Erfolge. Die Geodäten und Seismologen haben erfolgreich Messsysteme auf dem grönländischen Festland aufstellen können und die Glaziologen konnten eine Reihe von Dickenmessungen der Gletschereiszunge durchführen.

 

Stellvertretend für die gesamte wissenschaftliche Besatzung dieser Expedition grüßt sehr herzlich,

Torsten Kanzow

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