PS96 Wochenbericht Nr. 8 | 1. - 7. Februar 2016

Abschied von der Ostantarktis und Querung des Weddellmeeres

[10. Februar 2016] 

Nein - die vier Männer vom Drescher Inlet haben wir nicht überwintern lassen. Sie wurden samt Gerätschaften mit Hilfe der Helis letzte Woche an Bord geholt. Es war faszinierend zu sehen, wie sie mit dem typischen antarktischen Blick in den klaren Augen von ihren Arbeiten berichteten. Die Eindrücke sprudelten hervor wie aus einem aufgetauten Wasserfall.

Sie waren sehr erfolgreich, obwohl ihnen die Antarktis die eine oder andere Ladung Schnee ins Zelt, in die Bratpfanne und ins Eisloch geweht hatte. Von den Ergebnissen sei nur soviel verraten: Mit ihrem ROV haben sie unter dem Schelfeis ungesehene und unbekannte Vorgänge beobachtet. Man beachte ihre zukünftigen Publikationen. Nach heißen Duschen, zwei Nächten ausschlafen an Bord und 3 Mahlzeiten am Tisch wurden sie ausgeflogen zur finnischen Station Aboa. Von dort werden sie, DROMLAN (Dronning Maud Land Air Network) nutzend, in 10 Tagen von ihren Lieben daheim zurück erwartet. (Viele Grüße schon mal an Kerstin.)

Wir geben uns noch etwas Zeit - wenn auch die hochpolaren Umwelteindrücke schwinden. Die 66,56ten Breitenkreise im Süden wie im Norden haben bekanntlich einen Eigennamen: Polarkreis. Von dort aus Richtung Pol geht für mindestens einen Tag im Sommer die Sonne nicht unter (direkt am Pol dann ein halbes Jahr lang gar nicht mehr). Wir befanden uns seit Wochen zwischen Kreis und Pol, als Folge forschten wir unter 49 Tagen Dauerbeleuchtung - die Sonne nie unter dem Horizont. Da wird das Frühstück zum Abendessen und umgekehrt (es gibt eh dreimal am Tag „warm“). Jetzt fahren wir aber in nördliche Richtung - und es wird „nachts“ vorschriftsmäßig dunkel. Da schläft ein Mitteleuropäer dann auch wieder besser.

Und dann war da noch diese Sache mit Neptun. Gerade im Geltungsbereich des Antarktisvertrages (südlich 60° S) ist er doch etwas eigen mit seinen Unterwasserwelten. (Dagegen nimmt er das Überfahren des Äquators ehr harmlos.) Einreisende Personen haben ja laut Umweltbundesamt ihre Kenntnis über umweltgerechtes Verhalten per Kurs mit Bescheinigung zu dokumentieren. Ganz ähnlich hat jeder eine Urkunde mitzuführen, welche durch Neptuns Unterschrift einen gewissen Grad an Läuterung und Reinheit nachweist. Wer diese Urkunde nicht hat ... unser weiterer Bericht hüllt sich in Schweigen. Auch hier gilt wieder das persönliche Erlebnis - insbesondere in Abhängigkeit davon, wo - relativ zum Taufbecken - man sich befand: Buten oder binnen. Da möge jeder selbst daheim berichten - am besten hinter verschlossenen Türen.

Im nördlichen Weddellmeer werden wir kurzzeitig zum schwimmenden Hörsaal. Eine weitere Vortragsrunde ist eingeläutet, auf der insbesondere unsere JungforscherInnen zu Wort kommen. Die paar Tage Rückreise sind gut geeignet, um über die gewonnenen Ergebnisse zu berichten und zu diskutieren. Vorher gibt‘s noch ein kleines rustikales Abschlussdinner der Stationsarbeiten in der Deckswerkstatt. Einige Eisfische und Tiefseegarnelen aus dem letzten sehr erfolgreichen Trawl waren noch über - sie mussten nicht ins Formalin, sondern wurden mit Zwiebeln und Knoblauch in Öl präpariert ...

 

Nach der letzten Station ist vor der letzten Station. Im nordwestlichen Weddellmeer liegen weitere Verankerungen der Ozeanographie. Nach 5 Jahren quetschen sich die Batterien nur noch die wirklich allerletzten Elektronen heraus. Da müssen wir jetzt dringend hin. Hoffentlich antworten sie noch auf ihr erlösendes Signal und streben dem rettenden Bootshaken entgegen, der sie zurück aufs Schiff holt. Wenn uns das gelingt, sind die ozeanographischen Kenntnisse aus diesem antarktischen Nebenmeer einen wesentlichen Schritt weiter.

An der Ostseite der Antarktischen Halbinsel sind weitere Bodenvermessungen mit dem Hydrosweep geplant.

Ansonsten beginnen jetzt so spannende Tätigkeiten wie Ladearbeiten mit Packlisten schreiben, Proben verpacken, Datensicherung, Laborreinigung und Flure fegen, damit auch die nächste Expedition Freude am Schiff haben wird. Wir könnten jetzt auch noch einen aufregenden Absatz über Gerätestatistik anfügen - aber da verweisen wir lieber auf den Fahrtbericht. Den müssen jetzt alle nämlich auch noch schreiben. Auch wenn es eine wundervolle und erfolgreiche Reise war (das sind Polarstern-Expeditionen eigentlich immer), freuen wir uns alle auch mal wieder auf heimischen Schneeregen mit Islandtiefwind. In diesem Sinne - bis bald daheim.

 

Herzliche Grüße von Wissenschaft und Besatzung, Kapitän und Fahrtleiter

bei 10 Knoten Fahrt Richtung Kap Horn

 

Kontakt

Wissenschaftliche Koordination

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+49(471)4831-1709
Rainer Knust

Assistenz

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+49(471)4831-1859
Sanne Bochert