Aktuelles aus der Sektion Permafrostforschung

2022

16.11.2022 | Im Permafrost steckt mehr Stickstoff als gedacht

Unter Leitung von Dr. Jens Strauss bestimmt ein internationales Team in der Fachzeitschrift Nature Communications die Größe des klimarelevanten Stickstoffreservoirs in besonders eisreichem Permafrost, genannt Yedoma Permafrost. Den neuen Ergebnissen nach enthält die Yedoma-Region insgesamt 41,2 Gigatonnen Stickstoff. Damit ist das Reservoir deutlich größer als es bisherige Schätzungen nahegelegt haben. Von den 41,2 Gigatonnen sind 37 Gigatonnen – also rund 90 Prozent – derzeit gefroren und nicht bioverfügbar. Doch das wird sich im Zuge des Klimawandels ändern, denn bei weiterhin hohen Treibhausgasemissionen durch die Menschheit können bis zum Jahr 2100 zwischen 4 bis maximal 16 Gigatonnen Stickstoff im Yedoma auftauen. Welche Folgen diese hohe Menge für das Klima hätte, hängt entscheidend von den Mikroorganismen im Boden ab. Der dann bioverfügbare Stickstoff könnte das pflanzliche Wachstum ankurbeln, denn Pflanzen brauchen Stickstoff als Nährstoff. Die Pflanzen könnten, wenn sie an den Stickstoff gelangen, dann CO2 aus der Atmosphäre binden, der Effekt auf das Klima wäre also für einen gewissen Zeitraum positiv. Durch den mikrobiellen Abbau könnten aber auch große Mengen N2O in die Atmosphäre freigesetzt werden. Dieses Stickstoffmonoxid – besser bekannt als Lachgas – ist ein 300-mal stärkeres Treibhausgas als CO2, hat also einen erheblichen Einfluss auf das Klima.


Publikation:

Jens Strauss, Christina Biasi, Tina Sanders, Benjamin W. Abbott, Thomas Schneider von Deimling, Carolina Voigt, Matthias Winkel, Maija E. Marushchak, Dan Kou, Matthias Fuchs, Marcus A. Horn, Loeka L. Jongejans, Susanne Liebner, Jan Nitzbon, Lutz Schirrmeister, Katey Walter Anthony, Yuanhe Yang, Sebastian Zubrzycki, Sebastian Laboor, Claire Treat and Guido Grosse: A globally relevant stock of soil nitrogen in the Yedoma permafrost domain. Nature Communications (2022). DOI: https://www.doi.org/10.1038/s41467-022-33794-9


AWI Pressemitteilung


 

27.10.2022 | Bedeutung von langen Datenreihen für verlässliche Aussagen

Unser Team vom AWI, GFZ und Universität Hamburg analysierte fast zwanzig Jahre Methanflüsse und Klimadaten des Permafrostobservatoriums auf Samoylov (Sibirien). Die Analyse ergab, dass die sommerliche Freisetzung von Methan seit 2004 um fast zwei Prozent pro Jahr zugenommen hat. Die Ursache ist jedoch nicht ein massiveres Auftauen des Permafrosts, sondern ein früherer Beginn und ein verstärktes Pflanzenwachstum aufgrund der gestiegenen Lufttemperatur. Die Studie erschien am 27. Oktober in der Zeitschrift Nature Climate Change.


Publikation

Rößger et al. Seasonal increase of methane emissions linked to warming in Siberian tundra. Nat. Clim. Chang. (2022). doi: 10.1038/s41558-022-01512-4


 

19.10.2022 | Installationsprojekt „Common Grounds"

Common Grounds ist ein Gemeinschaftsprojekt, das nach Wegen sucht, Klimaforschung durch Kunst zu vermitteln. Die Installation von Kerstin Ergenzinger und Bnaya Halperin-Kaddari des Sono-Choreographic Collective schafft einen künstlerischen Klangraum, in dem akustisch ein Datensatz von 20 Jahren Permafrosttemperaturen und begleitenden Klimamessungen auf Spitzbergen, Norwegen, wiedergegeben wird. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit der Permafrost-Forschungsgruppe am AWI Potsdam unter der Leitung von Julia Boike.


Projekt-Webseite

Projekt-Beschreibung

 

 

 


18.10.2022 | Treibhausgasemissionen vom „Land des Permafrosts“

In "Permafrost and Climate Change: Carbon Cycle Feedbacks From the Warming Arctic" (Rückkopplungen des Kohlenstoffkreislaufs durch die Erwärmung der Arktis) hat das Permafrost Carbon Network (PCN) ein neues Permafrost-Kohlenstoff-Synthesepapier erstellt, das neun mögliche zukünftige Szenarien der arktischen Methan- und Kohlendioxidemissionen aufzeigt. Wir haben festgestellt, dass die beschleunigte Rückkopplung zum Klimawandel davon abhängt, was der Mensch tut und wie die arktischen Ökosysteme auf die Erwärmung reagieren. Lesen Sie hier mehr...


Publikation

Edward A.G. Schuur, Benjamin W. Abbott, Roisin Commane, Jessica Ernakovich, Eugenie Euskirchen, Gustaf Hugelius, Guido Grosse, Miriam Jones, Charlie Koven, Victor Leshyk, David Lawrence, Michael M. Loranty, Marguerite Mauritz, David Olefeldt, Susan Natali, Heidi Rodenhizer, Verity Salmon, Christina Schädel, Jens Strauss, Claire Treat, and Merritt Turetsky: Permafrost and Climate Change: Carbon Cycle Feedbacks From the Warming Arctic, Annual Review of Environment and Resources (2022). DOI: https://doi.org/10.1146/annurev-environ-012220-011847


AWI Pressemitteilung


30.06.2022 | Research Topic: Yedoma Permafrost Landscapes as Past Archives, Present and Future Change Areas

Unter Leitung von Dr. Lutz Schirrmeister wurde das Yedoma Research Topic bei Frontiers in Earth Science veröffentlicht und ist als E-Book und PDF verfügbar.

Die Beiträge in diesem Yedoma-Forschungsthema bieten einen breiten lokalen bis arktisweiten Überblick über den aktuellen Wissensstand in der Permafrostforschung in Bezug auf die einzigartigen Yedoma-Landschaften in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.


Schirrmeister, L., Fedorov, A. N., Froese, D., Iwahana, G.,
Van Huissteden, K., Veremeeva, A., eds. (2022). Yedoma Permafrost Landscapes as Past Archives, Present and Future Change Areas. Lausanne: Frontiers Media SA.
doi: 10.3389/978-2-88976-466-2


2021

31.08.2021 | Neues Daten-Dashboard für die Langzeit Beobachtungen der Biogeochemie der Lena an der Forschungsstation Samoylov

Unter der Leitung eines Teams vom AWI Potsdam wird die Biogeochemie der Lena ganzjährig mit hoher Frequenz gemessen. Dieses Monitoring begann im Frühjahr 2018 und findet auf der Forschungsstation Samoylov Island in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Forschungsstation und unseren russischen Partnern statt: dem Otto-Schmidt-Labor (OSL) und dem Arctic and Antarctic Research Institute (AARI) in St. Petersburg, dem Institute of Petroleum Geology and Geophysics (IPGG) in Novosibirsk und das Melnikov Permafrost Institute (MPI) in Jakutsk.

Parameter werden international in einer Reihe von Laboren gemessen. Diese können nun in einem neuen interaktiven Daten-Dashboard online erkundet und heruntergeladen werden.


Klicken Sie hier, um das Lena Monitoring Dashboard aufzurufen


Weitere Informationen zu den Probenahmedaten, analysierten Parametern, Eindrücken der Feldarbeiten und Hintergrundinformationen finden Sie auf dieser neuen Seite. Derzeit sind die Daten für das erste Jahr online verfügbar, weitere Daten folgen in Kürze. Gemeinsam mit unseren Partnern ist es unser Ziel, dieses Monitoringprogramm als Zeuge der aktuellen rasanten Veränderungen im Einzugsgebiet des Flusses Lena fortzusetzen.


30.08.2021 | Jan Nitzbon erhält renommierten Wladimir Köppen Preis

Dr. Jan Nitzbon erhält den Wladimir Köppen Preis 2020 für seine exzellente Doktorarbeit. Mit seiner Dissertation leistet der Physiker des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) einen bedeutenden Beitrag, Simulationen zur Entwicklung des Permafrosts zu verfeinern: Er zeigt, wie bedeutend kleinräumige Eigenschaften der Landschaft sind, da sie die Menge an Klimagasen beeinflussen, die beim Tauen freigesetzt wird. Seine Ergebnisse können künftig dabei helfen, das Auftauen des Permafrosts realistischer abzubilden.

AWI Presemitteilung

Originalpressemitteilung


12.08.2021 | Kick-Off Workshop UndercoverEisAgenten

Zum Kick-Off des im Juli gestarteten Citizen Science Projekts UndercoverEisAgenten trafen sich am 12. August die Kooperationspartner des DLR Jena, HeiGIT und AWI auf dem Potsdamer Telegrafenberg. Zusammen mit geladenen Experten wurde über Anreize und Motivatoren für Bürgerwissenschaftler*innen, Forschungsethische Aspekte, technische Herausforderungen im Umgang mit Drohnen (UAV) zur Datenaufnahme sowie die Nutzbarmachung künstlicher Intelligenz in der Analyse von Satellitendaten gesprochen. Der Wissensaustausch trägt in hohem Maße zur Planung der Beteiligung von Schulen und arktischen Gemeinschaften bei. 

UndercoverEisAgenten ist eines von 15 Projekten, die ihm Rahmen des Förderbereichs Bürgerforschung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden.


23.07.2021 | Zwei AWI-ESA kofinanzierte Climate Change Initiative (CCI) PostDoc Forschungsprojekte sind gestartet

Mit Alexandra Runge und Bennet Juhls wurden zwei Anträge aus der Permafrost-Sektion des AWI für zweijährige PostDoc-Stipendien im Rahmen der ESA Climate Change Initiative ausgewählt. Beide Projekte zielen darauf ab, mehrere essentielle Klimavariablen (essential climate variables) aus den CCI-Datensätzen zu kombinieren, um klimawandelbedingte Auswirkungen in arktischen Permafrostregionen zu identifizieren.


Das Projekt „Permafrost Vulnerability from Essential Climate Variables (PVE)” unter der Leitung von Alexandra Runge zielt darauf ab, die Anfälligkeiten des Permafrostbodens gegenüber dem Auftauen durch die räumlich und zeitliche Variabilität und Trends von mehreren essentiellen Klimavariables, wie Landoberflächentemperatur, Bodenfeuchte, Schneebedeckung, Landbedeckung, Albedo und Feuer, auf der pan-arktischen Skala zu bewerten. Ein integraler Bestandteil des Projektes ist die Entwicklung eines Permafrost-Vulnerabilitätskonzepts, der die ECVs berücksichtigt und den Energiehaushalt betrachtet, der den thermischen Zustand des Permafrostbodens beeinflusst. Die Untersuchung der raum-zeitlichen Variabilität wird räumliche Muster und zeitliche Trends der einzelnen ECVs und deren kombinierte Auswirkungen auf den Zustand des Permafrostbodens aufzeigen. Dieses Projekt wird Permafrostgebiete identifizieren, die in naher Zukunft stark gefährdet sind, aufzutauen.   Das Projekt “Organic Matter Runoff and its Fate in a Warming Arctic (ArcticOM)” unter der Leitung von Bennet Juhls zielt darauf ab, panarktische Mengenflüsse von organischem Kohlenstoff vom Land ins Meer zu quantifizieren. Der CCI Ocean Colour Datensatz, welcher mehr als 20 Jahre umfasst, wird verwendet, um potentielle Trends zu identifizieren, die mit der starken Erwärmung der Arktis zusammenhängen. Darüber hinaus werden Langzeitdatensätze wie die Temperatur des Permafrostbodens und die Tiefe der Auftauschicht aus dem Permafrost-CCI Datensatz verwendet. Diese können Auskunft über terrestrische Faktoren geben, die zwischenjährliche und langfristige Veränderungen beim Transport von organischem Kohlenstoff in den Arktischen Ozean beeinflussen. Das ArcticOM Projekt wird neue Einblicke bezüglich der Mobilisierung von organischem Kohlenstoff aus auftauendem Permafrost geben. Dies ist wichtig, um die potenziellen Aus­­wirkungen auf den globalen Kohlenstoffkreislauf zu verstehen.

18.06.2021 | Ein Permafrostarchiv der letzten 52 000 Jahre im östlichen Lenadelta

Eine russisch-deutsche Expedition arbeitete 2018 auf der Insel Sobo-Sise im östlichen Lenadelta (siehe Videoanhang), wobei ein bis zu 28 m hohes Yedoma Kliff am Seil durchgängig beprobt wurde. Die Proben aus dem gefrorenen Untergrund dokumentieren die Bildung von Permafrost und dessen phasenweiser Degradation seit ca. 52 000 Jahren.

In einer aktuellen Studie wurden die im Yedoma Eiskomplex von Sobo-Sise erhaltenen Mikro- und Makrofossilien untersucht, um Paläoumweltbedingungen der letzten Eiszeit zu rekonstruieren. Fossile Pollen reflektieren Tundra-Steppen-Vegetation, die die Lebensgrundlage der spätpleistozänen Mammutfauna bildete. Dazu gehörte auch das Wollhaarnashorn, das nun anhand eines Knochenfundes erstmals im Lenadelta nachgewiesen wurde. Fossile Kopfkapseln von Zuckmückenlarven (Chironomiden) wurden für Rekonstruktionen der mittleren Julitemperatur genutzt. Wärmere Sommer als heute wurden für mehrerer Perioden zwischen 51 000 und 41 000 Jahren vor heute rekonstruiert. Die Studie erweitert frühere Yedoma-Untersuchungen zur Paläoökologie in Ostsibirien.


Wetterich S, Rudaya N, Nazarova L, Syrykh L, Pavlova M, Palagushkina O, Kizyakov A, Wolter J,  Kuznetsova TV, Aksenov A, Stoof-Leichsenring K, Schirrmeister L, Fritz M (2021). Paleo-ecology of the Yedoma Ice Complex on Sobo-Sise Island (Eastern Lena Delta). Frontiers in Earth Science 9: 681511, https://doi.org/10.3389/feart.2021.681511



31.05.2021 | Studie zur Modellierung von Infrastrukturschäden durch Permafrosttauen

In unserer neuen Studie verwenden wir das Cryogrid-Modell zur Simulation der Interaktion zwischen einer Schotterstraße und ihrer Permafrostumgebung. Unsere Studie unterstreicht, wie wichtig es ist, die Interaktion der Infrastruktur mit dem gefrorenen Boden, auf dem sie gebaut ist, zu berücksichtigen. Diese Wechselwirkung führt zu einer früheren Degradation des Permafrosts im Vergleich zu einer Situation, in der die Tundra nicht von der Infrastruktur beeinflusst wird.

Wir zeigen weiter, dass Infrastrukturstandorte, die auf kaltem und kontinuierlichem Permafrost gebaut sind, wie der Dalton Highway (Alaska, siehe Abbildung), unter dem Klimawandel nicht nur in ferner Zukunft, sondern bereits im kommenden Jahrzehnt stark unter Permafrostdegradation leiden können.

 


Schneider von Deimling, T., Lee, H., Ingeman-Nielsen, T., Westermann, S., Romanovsky, V., Lamoureux, S., Walker, D. A., Chadburn, S., Trochim, E., Cai, L., Nitzbon, J., Jacobi, S., and Langer, M.: Consequences of permafrost degradation for Arctic infrastructure – bridging the model gap between regional and engineering scales, The Cryosphere, 15, 2451–2471, https://doi.org/10.5194/tc-15-2451-2021, 2021.


Video Anhang:
https://doi.org/10.5446/47699
Modell-Code unter:
https://zenodo.org/record/4706881#.YLd6x6GxVPY


 

26.04.2021 | Studie zu auffällig starker CO2 Freisetzung und Aufnahme in der Hoch-Arktis während der Wintermonate

Bei der kontinuierlichen Messung des CO2 Austauschs zwischen Boden und Atmosphäre an der Bayelva Station, Spitzbergen, haben Zeiten mit auffallend hohem CO2 Austausch im Winter unser Interesse geweckt. Diese starken CO2 Flüsse traten während hoher Windgeschwindigkeiten auf und hatten einen bedeutenden Effekt auf den jährlichen Netto-Austausch von CO2 an der Forschungsstation. Während die scheinbare CO2 Aufnahme im Winter unseren Analysen zufolge durch Einschränkungen der Messgeräte bei bestimmten Witterungsbedingungen hervorgerufen wird, sind die starken CO2 Emissionen eher auf physikalische Prozesse, wie die Heranführung von CO2 reicher Luftmassen aus entfernten Gebieten, zurückzuführen.

Starke Wetteränderungen, begleitet von hohen Windgeschwindigkeiten, werden im Nordatlantischen Sektor der Arktis während der Wintermonate in Zukunft vermutlich häufiger auftreten. Weiterführende Studien sind daher unabdingbar, um die Faktoren zu ermitteln, welche den hohen winterlichen CO2 Austausch bedingen und damit Fehler in großskaligen Kohlenstoff-Bilanzierungen zu verhindern, welche sich letztendlich in globale Klimavorhersagen fortpflanzen können.


Jentzsch, K., Schulz, A., Pirk, N., Foken, T., Crewell, S., & Boike, J. (2021). High levels of CO2 exchange during synoptic-scale events introduce large uncertainty into the Arctic carbon budget. Geophysical Research Letters, 48, e2020GL092256. https://doi.org/10.1029/2020GL092256


 

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