Werkzeuge

Beobachtende Ökologie

Nahezu alles was wir über das Leben im Ozean wissen, resultiert aus Probennahmen mit pelagischen Netzen, Flaschen, Greifern oder Grundschleppnetzfängen. Wenngleich diese Methoden wertvolles Probenmaterial, beispielsweise für Biodiversitätsuntersuchungen oder experimentelle Studien liefern, sind sie doch nicht in der Lage, die räumliche Struktur und Funktion der Lebensgemeinschaften abzubilden. Sie reduzieren die beprobten Meereslandschaften an Deck zu einem Haufen unsortierten Durcheinanders. Der Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte erlaubt faszinierende Einblicke in die marine Biologie. Kabelgebundene Instrumente und Observatorien ermöglichen nun, die Lebensgemeinschaften in ihrer natürlichen Umgebung und ihrem natürlichen Zustand störungsfrei zu untersuchen:

  • mit Kameras und Sensoreinheiten ausgestattete Remotely Operated Vehicles (ROVs) liefern hoch aufgelöste Bilder vom Plankton und den Lebensgemeinschaften am Meeresboden in deren dynamischer Umgebung,
  • die Eddy Covariance-Methode erlaubt eine kontinuierliche und nicht-invasive Bestimmung benthischer Flüsse von Sauerstoff, Partikeln und Wärme in benthischen Grenzschichten,
  • Probennahmen am Meeresboden und in der darüber liegenden Wassersäule mit Hilfe von Multicorern und Kranzwasserschöpfern sind für die wissenschaftliche Arbeit der Sektion BPP essentiell,
  • Messungen mit Mikrosensoren erlauben Einblicke in unmittelbare physiologische Prozesse und helfen dabei mögliche Mechanismen zur Anpassung an zukünftige Klimabedingungen zu verstehen,
  • Das Forschungstauchen ermöglicht eine ungestörte Beobachtung, umweltschonende Beprobung, die gezielte Erhebung von Messdaten und die Durchführung von Experimenten unter Wasser.
  • Der Einsatz von Biologging-Geräten und Satellitentransmittern ermöglicht Untersuchungen der marinen Umwelt aus der Perspektive von Meeressäugern.

Diese Werkzeuge werden von BPP-Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern angewendet und verfeinert, um diejenigen Faktoren zu verstehen, die antarktische Lebensgemeinschaften in einer Ära des Klimawandels steuern, und um die Rolle der antarktischen Gemeinschaften in geochemischen Kreisläufen zu bestimmen.

Remotely Operated Vehicle (ROV)

ROV-gestützte Untersuchungen der Küstenregionen und des antarktischen Kontinentalschelfs offenbaren große benthische Gemeinschaften wie Korallenriffe und Ansammlungen von Schwämmen.

Mit Ausnahme der Oberfläche hielten Ozeane ihre Geheimnisse lange Zeit vor uns verborgen. Heutzutage bieten ROVs die Möglichkeit weit tiefere Regionen der Meere, als bisher mit Tauchern, zu erreichen. Ausgerüstet mit hochauflösenden Kameras und einer ganzen Reihe von Sensoren, die ihre Daten kabelgebunden in Echtzeit zur Oberfläche senden, erlauben sie Wissenschaftlern und Ingenieuren erstaunliche Aufnahmen des Meeresbodens und den dazugehörigen Umweltinformationen. Während das Sammeln von Objekten bisher ein Privileg der großen und teuren ROVs war, wird nun die Lücke zwischen den sogenannten working class ROVs und den wesentlich kleineren inspection class ROVs geschlossen. Ingenieure und Wissenschaftler der Sektion BPP in Zusammenarbeit mit Industrie und Wirtschaft haben es geschafft, einen hydraulischen Greifarm (7 Freiheitsgrade) mit einem kleines Inspektions-ROV zu vereinen und haben somit eines der kleinsten working class ROVs derzeit geschaffen. Mit einem Aktionsradius von 500m wurde auch schon das hängende Benthos unter dem 150m dickem antarktischen Schelfeis im Drescher Inlet (PS96) untersucht. Auf der Polarsternexpedition PS111 konnten die ersten Bilder der grounding line, die Linie an der das antarktische Schelfeis auf den Meeresboden trifft, untersucht und aufgenommen werden. Diverse Einsätze vom Forschungsschiff Polarstern, vom antarktischen Meereis als auch Landgestützte Missionen mit kleinen Booten zeigen das enorme Potential derartiger Hybridtechnologien. Durch seine 360°-Manövrierfähigkeit ist es möglich, Strukturen an der Unterseite von Felsüberhängen, Höhlen oder des Meer- bzw. Schelfeises quasi kopfüber zu untersuchen.

Eddy Covariance

Die Eddy-Covariance Methode erlaubt die Quantifizierung von Stoff- und Partikelflüssen an der bentho-pelagischen Schnittstelle. Die Methode ist nicht-invasiv und ermöglicht es Stoffflüsse kontinuierlich und über längere Zeiträume zu bestimmen, insbesondere in benthischen Habitaten, bei denen herkömmliche Messungen nicht anwendbar sind.

Die Eddy-Covariance Methode misst Stoffflüsse in der turbulenten Grenzschicht, etwa 10-50 cm über dem Meeresboden, und kombiniert dabei hochfrequente (>1Hz) Strömungsmessungen mit Konzentrationsmessungen von reaktiven Substanzen, aus denen in Folge ein turbulenter Stofffluss berechnet werden kann. Bisher sind hochfrequente Messungen nur für Sauerstoff, Temperatur, Schwebstoffe und neuerdings auch für H+ (pH-Wert) möglich. Von Interesse ist besonders die Sauerstoffaufnahme des Meeresbodens, da sie ein zuverlässiger Indikator für den benthischen Kohlenstoffumsatz ist. In flachen Gewässern, wo das Tageslicht bis zum Meeresboden reicht, kann neben der Sauerstoffaufnahme auch die Sauerstoffproduktion der benthischen Algen über Tag-Nacht-Zyklen gemessen werden. Damit lässt sich der Netto-Sauerstofffluss bestimmen und benthische Ökosysteme können in autotrophe und heterotrophe Systeme unterschieden werden. Grundlage für die Eddy-Covariance Methode ist der turbulente Stofftransport in benthischen Grenzschichten. Es ist daher ein ideales Werkzeug, um auch die Auswirkungen hydrodynamischer Bedingungen auf den benthischen Stofffluss zu untersuchen und zu verstehen, wie sich die Fauna an diese anpasst und benthische Habitate formt.

Benthische und pelagische Beprobung

Die Beprobung des Meeresbodens und der darüber befindlichen Wassersäule ist für die wissenschaftliche Arbeit der Sektion BPP zur Gewinnung essentieller Daten obligatorisch.

Unterstützt durch gut ausgerüstete große Forschungsschiffe wie dem Eisbrecher POLARSTERN, aber auch von Deck kleiner, offener Arbeitsboote, gewinnen wir Wasser- und Sedimentproben im Weddellmeer (Antarktis) und in den Fjorden Patagoniens (Chile). Wasserproben: sogenannte Niskin-Flaschen, benannt nach ihrem Erfinder, schließen eine definierte Wassermenge in gewünschter Wassertiefe ein, indem die Endkappen dieser rohrähnlichen Flaschen geschlossen werden. In der Regel werden immer mehrere solcher Flaschen gemeinsam hinab gelassen. Jede Flasche „fängt“ dabei Wasser aus einer anderen Tiefe. Die in der Tiefe verschlossenen Flaschen werden danach für Analysen an Bord des Schiffes geholt. Die in-situ Messung physikalischer Eigenschaften des Wassers wird mithilfe einer CTD durchgeführt, die gemeinsam mit den Flaschen hinab gelassen wird. Bodenproben: um das Sediment des Meeresbodens unter Laborbedingungen analysieren zu können, werden zylindrische Bodenproben von ca. 30 Zentimeter Länge mit einem Multicorer (MUC) aus dem Meeresboden ausgestanzt und an Bord geholt.

Forschungstauchen

Einen unmittelbaren Einblick in die Unterwasserwelt bekommen Meeresbiologen durch das Forschungstauchen. Es ermöglicht eine ungestörte Beobachtung, umweltschonende Beprobung, gezielte Erhebung von Messdaten und die Durchführung von Experimenten unter Wasser.

Mit Hilfe von Unterwasserkameras können wir Arten, Tiergemeinschaften und Lebensräume beschreiben, ohne diese dabei zu zerstören (vgl. Schleppnetz). Um zu vermeiden, dass Plankton wie die Motten vom Licht der Scheinwerfer angelockt wird, verwenden wir Infrarotkameras, die es uns ermöglichen, die Planktonaufnahme der Kaltwasserkorallen in ihrem natürlichen Lebensraum zu bestimmen. Manchmal ist es nötig, einzelne Korallen für Laborexperimente oder Gewebe-entnahmen zu sammeln. Dies geschieht durch den vorsichtigen Einsatz von Hammer und Meißel, mit dem die Tiere von den Felsen abgetrennt werden. Für komplexere Unterwasserexperimente sind Forschungstaucher unverzichtbar. Ein Beispiel ist die Positionierung unseres Eddy Mess-systems an einer Korallenwand (Foto). Hierfür war es nötig, mit einem Unterwasserbohrgerät Löcher in den felsigen Untergrund zu bohren und das Gestell mittels Schwerlastdübeln über dem Abgrund zu befestigen. Auch Korallen-Transplantationsexperimente werden durch Forschungs-taucher durchgeführt: Kaltwasserkorallen werden an verschiedenen Standorten unterschiedlicher Umweltbedingungen gesammelt, auf Halterungen befestigt und diese an neuen Standorten wieder ausgesetzt. Diese Versuche haben zum Ziel, die Auswirkungen unterschiedlicher Umwelt-einflüsse z.B. auf das Wachstum der Korallen zu ermitteln. Die durch Forschungstaucher gewonnenen Ergebnisse sind wichtig, um die Struktur und Funktion unserer Küstenökosysteme besser zu verstehen.

Bio-logging und Satelliten-Tracking

Die Beobachtung von Robben mit Satellitensendern und Bio-logging Technologien trägt zur Klärung bentho-pelagische Prozesse in den antarktischen Meereisgebieten bei.

Satellitengestützte Tauchlogger zeichnen Wassertemperatur- und Salinitätsdaten entlang der Nahrungstauchgänge der Robben auf und senden diese in den Atempausen der Robben an Satelliten mit polaren Umlaufbahnen. Die Abstimmung der Robbendaten mit ozeanographischen Gegebenheiten erlaubt neue Einblicke in mittlere und obere trophische Wechselwirkungen.

Robben-Kameras erkennen Nahrungsobjekte aus der Perspektive der Robben sogar unter den antarktischen Schelfeisen. Robben als autonome Datensammler und ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge ermöglichen neue Ansätze im Bereich der beobachtenden Ökologie, verbessern unser Verständnis über die Verteilungsmuster der antarktischen Spitzenkonsumenten und der zugrunde liegenden bentho-pelagischen Prozesse in den jahreszeitlich oft nur schwer zugänglichen hochantarkischen Meereisgebieten. Alle Daten können über PANGAEA's Marine Mammal Tracking Projekt abgerufen werden.