Bentho-pelagischer Forschungsschwerpunkt

Den Rahmen unserer Aktivitäten bildet das Forschungsprogramm Changing Earth - Sustaining our Future, welches Teil des Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF) ist. Im aktuellen Programm (2021 - 2027) beteiligen wir uns an den Topics:

• Topic 4: Coastal Transition Zones under Natural and Human Pressure
   Subtopic 4.1 Fluxes and transformation of energy and matter in and across compartments
   Subtopic 4.2 Coastal ecosystem sustainability against the backdrop of natural and anthropogenic drivers

• Topic 6: Marine and Polar Life: Sustaining Biodiversity, Biotic Interactions, and Biogeochemical Functions
   Subtopic 6.1 Future ecosystem functionality
   Subtopic 6.3 The future biological carbon pump

Langfristiges Ziel der Sektion BPP ist es, die Struktur und Funktion polarer makrobenthischer Organismen, ihre Interaktion mit dem pelagischen System und ihre Anfälligkeit für natürliche Störungen und den Klimawandel zu quantifizieren. Ein mechanistisches Verständnis der bentho-pelagischen Prozesse kann als wichtige Grundlage für die Modellierung der biologischen Reaktionen auf den polaren Klimawandel dienen.

Obwohl davon ausgegangen wird, dass die Rückbildung von Schelfeisen, das zunehmende Kalben von Eisbergen und die Veränderung der saisonalen Packeisbedeckung bedeutende Auswirkungen auf das antarktische Benthos haben werden, fehlen derzeit noch zuverlässige Daten über die benthische Produktivität und den Stoffkreislauf. Diese Lücke wollen wir schließen, um die Dynamik der antarktischen benthischen Gemeinschaften und ihre ökologischen Funktionen besser zu verstehen. Dazu führen wir mit fortschrittlichen Unterwassertechnologien erstmals direkte Messungen an wichtigen Prozessvariablen in situ durch. Während der Schwerpunkt auf den Schwämmen und Korallen liegt, die als große Skelett-bildende Filtrierer anderen Organismen wichtigen Lebensraum bieten, untersuchen wir auch mobile "Wächterarten" für den Klimawandel wie Fische und Robben, die als Spitzenkonsumenten eine wichtige Rolle im antarktischen Ökosystem spielen. Mittelfristiges Ziel der Sektion BPP ist es, Ergebnisse aus Untersuchungen zu biologischen Strukturen und Prozessen so zu kombinieren, dass wir die Reaktionen auf den antarktischen Klimawandel besser verstehen.
 

Schwerpunkt Antarktis

Reaktionen des Benthos im Gebiet der Antarktischen Halbinsel auf das Wegbrechens des Larsen Schelfeises

Nach dem Wegbrechen des Schelfeises infolge regionaler Erwärmung, beobachten wir die Besiedlung des Meeresbodens in den zuvor eisbedeckten Gebieten über Jahre bis Jahrzehnte.

Das Wegbrechen der Schelfeise entlang des östlichen Randes der antarktischen Halbinsel hat großräumige Meeresgebiete, die über Jahrtausende hinweg von einer permanenten Eisschicht überdeckt waren, einer saisonalen kryopelagischen Primärproduktion ausgesetzt. Das am weitesten nördlich gelegene Larsen A Schelfeis zerfiel 1995, Larsen B 2002 und 2017 brach eine riesige Eisfläche am Larsen C Schelfeis im Süden der Antarktischen Halbinsel weg. Die zeitliche Abfolge dieser Ereignisse erlaubt es uns, die Reaktion der benthischen Gemeinschaften auf unterschiedliche Expositionszeiten gegenüber kryopelagischer Produktion hin zu untersuchen. Die hier vorherrschenden Meereisbedingungen machen das Larsen-Gebiet jedoch zu einem der unzugänglichsten in der Antarktis. Bei dem bisher einzigen Wiederholungsbesuch an Larsen A konnten wir eine Verdopplung der Biomasse an Glasschwämmen zwischen den Jahren 2007 und 2011 feststellen. Das schnelle Wachstum deutet darauf hin, dass die Filtrierer von den beispiellos hohen organischen Kohlenstoffflüssen profitieren, die dort den Meeresboden erreichen. Zukünftige Expeditionen mit FS Polarstern sollen daher den Kohlenstofffluss untersuchen, um besser zu verstehen, wie die antarktischen Gemeinschaften auf den Klimawandel reagieren.

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Prof. Dr. Claudio RICHTER

Forschung im Filchner Outflow System

Die Region des Filchner Outflow System im südlichen Weddellmeer gilt sowohl biologisch als auch physikalisch als "Hot Spot".

Die Faktoren, die in diesem ozeanischen Gebiet zu erhöhter Nahrungsverfügbarkeit beitragen, sind noch nicht vollständig bekannt. Durch Einbeziehung biotischer Komponenten vom Phytoplankton über benthische Organismen und Fischen bis hin zu Robben sowie abiotischer Parameter wie Meeresbodentopographie, Sedimentstruktur und Hydrographie wollen wir das Filchner Outflow System daher umfassend untersuchen. Hier trifft das unter dem Filchner-Ronne Schelfeis abfließende kalte Schelfeiswasser auf das warme Tiefenwasser des Weddellwirbels. Dieses Zusammentreffen stellt vermutlich die primäre Ursache für die Existenz eines biologischen "Hotspot" in diesem Bereich dar, in dem Nahrungsbeziehungen auf allen trophischen Niveaus maximiert werden. Ozeanographische Modelle prognostizieren für das Filchner Outflow System deutliche Veränderungen hydrographischer Gegebenheiten, mit potenziell dramatischen Auswirkungen auf die Biodiversität in diesem Gebiet. Physikalische, biogeochemische und ökologische Studien mit FS Polarstern im Filchner Outflow System und im südöstlichen Weddellmeer sollen diesen Hotspot im Detail charakterisieren.

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Dr. Horst BORNEMANN

Das BENDEX Experiment - Entwicklung einer Benthosgemeinschaft nach künstlicher Störung

In regelmäßigen Abständen stranden Eisberge auf dem Schelf des Weddellmeeres. Sie bewirken erhebliche Schädigungen am Meeresboden und spielen somit eine wichtige Rolle bei der Strukturierung der Bodentier- und demersalen Fischgemeinschaften.

Das BENDEX Experiment wurde 2003 auf dem südöstlichen Schelf des Weddellmeeres initiiert. Mit Hilfe eines modifizierten Grundschleppnetzes wurde eine Störung einer Bodentiergemeinschaft durch einen strandenden Eisberg simuliert, um danach die verschiedenen Stadien der Wiederbesiedlung auch zeitlich verfolgen zu können. Derartige Untersuchungen sind wichtig, weil sie uns Aussagen über die Empfindlichkeit und Belastbarkeit der hochantarktischen Kaltwasserfauna erlauben. Zweimal konnte das gestörte Gebiet in den Jahren 2011 und 2014 wieder beprobt werden und dabei erste "Pionierarten" als Neubesiedler identifiziert sowie eine Zunahme der Biomassen und Tierdichten beobachtet werden. Eine Fortführung dieses Experiments in regelmäßigeren Wiederholungskampagnen ist allerdings notwendig, um die Neubesiedlung des gestörten Areals durch die z.T. sehr langlebigen antarktischen Arten besser dokumentieren zu können.

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Prof. Dr. Claudio RICHTER

Schwerpunkt Patagonien

Entschlüsselung des antarktischen Kaltwasserkorallen-Archivs (DACCOR)

Im Strategiefond-Projekt DACCOR des AWI wollen wir ein Proxy-Archiv für die südliche Hemisphäre und insbesondere für die antarktische Region entwickeln, das Kaltwasserkorallen (KWK) zur Rekonstruktion von Temperatur und pH-Wert im Meerwasser verwendet.

Korallenskelette sind als Klimaarchiv von großer wissenschaftlicher Bedeutung, da bei ihrer Entstehung die vorherrschenden Umweltbedingungen in das Skelett eingebaut werden und so Veränderungen in den Ozeanen über Jahrzehnte und Jahrhunderte verfolgt werden können. Im DACCOR-Projekt wollen wir ein kontinuierliches Archiv der Erwärmung und Versauerung im Südozean entwickeln, um die komplexen Zusammenhänge, die der historischen Instabilität des Schelfeises in der Region der antarktischen Halbinsel zugrunde liegen, einem Gebiet mit großen Klimaschwankungen, besser zu verstehen. Mit einem multidisziplinären Ansatz untersuchen wir die ökologischen, physiologischen und molekularen Zusammenhänge der Skelettbildung (Biomineralisation), um die geochemische Signaturen in den KWK korrekt auszulesen, die unter Labor- (AWI) und Feldbedingungen (Patagonien, Chile und auf der antarktischen Halbinsel) in das Skelett eingebaut wurden. Wenn es uns gelingt, diese KWK-Proxy-Archive zu entschlüsseln, bietet DACCOR eine zeitlich hochauflösende Dokumentation der Vergangenheit, bis in die Paläorekonstruktion und den Beginn eines kohärenten Monitorings des jüngsten Klimawandels über reine Instrumentalaufnahmen hinaus. Das Projekt basiert auf der starken Expertise des AWI (Korallenökologie und -ökophysiologie, Biogeochemie, Geochemie, Molekularbiologie) und engen Kooperationen zu nationalen (GEOMAR, MPI) und internationalen Partnern (Verena Häussermann, Chile, Huinay).