PS126 - Wochenbericht Nr. 3 | 07. - 14.06.2021

Wasserwelten

[14. Juni 2021] 

Wie bereits im letzten Wochenbericht angekündigt, wollen wir heute von den Arbeiten unserer Phytooptiker, Biogeochemiker und Planktologen berichten. Im Mittelpunkt ihrer Untersuchungen stehen die Organismen und Prozesse in der Wassersäule.

Das Plankton umfasst alle Lebewesen, die in der Wassersäule schweben und nicht gegen die Wasserströmung schwimmen können. Dazu gehören Bakterien und einzellige Algen, die die Grundlage des arktischen Nahrungsnetzes darstellen, aber auch mehrzellige Tiere, wie z.B. Crustaceen (Krebsartige), die in hohen Dichten auftreten können. Es ist anzunehmen, dass der Klimawandel diese Lebensgemeinschaften stark beeinflussen wird.

Um zu untersuchen ob und wie sich die Lebensgemeinschaften der Bakterien und Algen im Wasser verändern, werden Wasserproben mit dem Kranzwasserschöpfer aus verschiedenen Tiefen genommen und filtriert. Zusätzlich gewinnen wir Proben mit dem automatischen Filtrationssystem AUTOFIM, welches an den Meerwasserkreislauf des Schiffes angeschlossen ist. Später in den Laboren des AWI und des GEOMAR werden verschiedene Parameter, wie z.B. der Nährstoffgehalt, die Chlorophyll-Konzentration, die Menge an Kohlenstoff und Stickstoff im Wasser und die genetischen Fingerabdrücke der Bakterien und Algen erfasst.

Eine andere Arbeitsgruppe an Bord bestimmt die Primärproduktion des Phytoplanktons und die Biomasseproduktion der Bakterien im Seewasser. Diese Prozesse spiegeln sich in der chemischen Zusammensetzung des organischen Kohlenstoffes im Meerwasser wieder. Daher werden zusätzlich Proben für weitere chemische Analysen, z.B. von Kohlenhydraten und Proteinen, gesammelt.

Mikroplankton-Gemeinschaften spielen innerhalb des marinen Ökosystems eine wichtige Rolle, indem sie organisches Material für das marine Nahrungsnetz und biogeochemische Zyklen zur Verfügung stellen. Derzeit sind diese Gemeinschaften durch den Klimawandel und damit verbundenen drastischen Veränderungen der abiotischen Umwelt ausgesetzt, vor allem in der Arktis. Um die interaktiven Effekte von steigenden Temperaturen und Nährstoffbeschränkungen auf die strukturelle Zusammensetzung des arktischen Mikroplanktons zu verstehen, führen wir ex situ Experimente in den Kühlkammern des Schiffes durch.

Die größeren Organismen des Planktons (z.B. Ruderfußkrebse, Flohkrebse und Quallen) sammeln wir mit Planktonnetzen. Zusätzlich untersuchen wir die Tiefenverteilung der häufigsten Arten mit dem sogenannten LOKI (Lightframe Onsight Key species Investigation). Kernstück des LOKI ist eine hochauflösende Digitalkamera, die kontinuierlich zwanzig Bilder pro Sekunde macht, während das Gerät aus 1000 m Tiefe an die Oberfläche gezogen wird. Gleichzeitig werden der Salzgehalt, die Temperatur und die Fluoreszenz gemessen, sodass wir das Vorkommen der verschiedenen Arten mit den hydrographischen Bedingungen in Verbindung setzen können.

Der Begriff gelatinöses Zooplankton umfasst eine Gruppe von weichen und sehr fragilen Organismen die phylogenetisch unabhängigen Tiergruppen angehören können, z.B. Rippen- und Schirmquallen, Polypen und Manteltiere. Diese Organismengruppe ist bislang nur selten genauer untersucht worden; dies gilt speziell für polaren Regionen. Wegen ihrer zerbrechlichen Körper, werden sie bei der Beprobung sehr leicht zerstört, weshalb sie generell in pelagischen Studien selten in Betracht gezogen werden. Ihre Vielfalt und Biomasse werden vermutlich stark unterschätzt. Die Kombination unterschiedlicher Probennahmeverfahren, optischer in situ Beobachtungen sowie die Anwendung von eDNA Methoden erlaubt uns, umfassende Grundkenntnisse über die Vielfalt, Fülle und die Verteilungsmuster des gelatinösen Zooplanktons für den Bereich der Framstraße zu generieren.

Das Gros des organischen Materials, das an der Meeresoberfläche produziert wurde, wird in den oberen 100 m der Wassersäule bereits wieder abgebaut. Nur ein Bruchteil dieses Materials sinkt schließlich zum Meeresboden, wo es die Organismen der Tiefsee ernährt. Um die Menge dieses Material zu quantifizieren werden während der Expedition spezielle Kamerasysteme eingesetzt. Verankerte autonome BioOptische Plattformen (BOP), die während unserer Reise ausgetauscht wurden, geben uns Auskunft über saisonale Variationen im Partikelfluss. Autonome Wassersammler, die uns wöchentlich Proben zur Analyse gelöster anorganischer Nährstoffe liefern, wurden geborgen und erneut ausgebracht. Die Ergebnisse ermöglichen uns Nährstoff- und Kohlenstoffbudgets für den Arktischen Ozean zu erstellen.

Neben den Nährstoffen ist das Licht einer der Faktoren, die das Wachstum der photosynthetisch aktiven Organismen beeinflusst. Die Tiefe, in die das Licht eindringt, ist dabei von der Konzentration der Partikel im Wasser sowie der Färbung des Wassers abhängig. Für die satellitengestützte Fernerkundung ist die Eindringtiefe des Lichts entscheidend, da nur aus diesem Bereich Informationen zur Art und Menge der Inhaltsstoffe gewonnen werden können. Aus diesem Grund wird von uns kontinuierlich das Absorptions- und Streuverhalten des Seewassers gemessen. Zusätzlich werden die Pigmente, die in den Phytoplanktern zu finden sind, in Wasserproben aus sechs verschiedenen Tiefen bestimmt. Auf der Grundlage all dieser Daten kann schließlich ein Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung des Phytoplanktons, seiner Biomasse, dem gelösten Kohlenstoff und der Qualität des eindringenden Lichts hergestellt werden.

Apropos Licht: Das Highlight der Woche war zweifellos eine 80%ige Sonnenfinsternis, die wir bei fast 80°N miterleben durften, als zur selben Zeit eine Eisbärin mit ihrem Jungtier das Schiff passierte – nun ja, manchmal passt’s einfach!

Im nächsten Wochenbericht dieser Reise werden wir über die „Bodenarbeiten“ unserer Biogeochemiker und Biologen berichten.

Mit den besten Grüßen aus dem HAUSGARTEN,

Thomas Soltwedel

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